100-Jahre-Otto-Wulff

Cuxhavener Schleppreederei feiert Jahrhundert-Jubiläum

Otto Wulf: Vom „Taucher Wulf“ zum internationalen Seelogistiker

Cuxhaven, 11. Juli 2022 - Vor genau 100 Jahren, am 11. Juli 1922, gründete der Fischermann Otto Wulf laut Gewerbeanmeldeschein in Cuxhaven seinen selbständigen Betrieb als „Tauch- und Bergungsgeschäft“. Es ist die Geburtsstunde des Unternehmens Otto Wulf – heute eine international agierende Schlepp und Transportreederei in vierter Generation. Und der Blick nach vorne zeigt: Klimaschutz, alternative Energien, kontinuierliche Digitalisierung und historische Zeitenwende werden das Cuxhavener Familienunternehmen in den kommenden Jahren begleiten.


 „Die vergangenen 100 Jahre waren für unsere Firma sehr bewegend: Wir haben mit Ankerbergungen und kleineren Hilfeleistungen auf der Elbe begonnen. Kontinuierlich haben wir unsere Flotte und Dienstleistungen ausgebaut und modernisiert. Sehr oft waren wir an spektakulären Rettungseinsätzen beteiligt und konnten anderen Schiffen und vor allem deren Besatzungen mit unseren Bergungsaktionen zur Seite stehen Wir haben uns als Familienbetrieb immer wieder neue Geschäftsfelder erschlossen, sind mit unseren Pontons in Seetransportgeschäft eingestiegen und haben uns mit Schwertransporten zur See auch international einen Namen gemacht. Damit haben wir vor allem den nachfolgenden Generationen eine gute Basis für die Zukunft geschaffen“, erklärt Andreas Wulf, einer der zwei aktuellen Geschäftsführer der Firma Otto Wulf.

Und Sören Wulf, ebenfalls amtierender Geschäftsführer der vierten Generation, ergänzt: „Ohne den unermüdlichen Einsatz unserer hochspezialisierten Mitarbeitenden, ohne unsere Flexibilität und unsere Bereitschaft, Neues zu wagen, aber auch ohne das Vertrauen unserer Kunden und Partner wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen. Was uns bis heute auszeichnet und antreibt, ist unser Wille, immer schnell, zuverlässig und kompetent auf See zu handeln und Höchstleistungen für unsere Kunden zu erbringen. Gleichzeitig wagen wir den Blick nach vorn und sind bereit, uns den Bedürfnissen unserer Kunden noch weiter anzupassen – sei es im Bereich der konsequenten Digitalisierung wie in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz.“


Blick zurück: 100 Jahre Bergungsgeschäft und Seelogistik im Zeitraffer


Mit dem Kauf eines Kabellegers 1921 fing alles an: Otto Wulf, damals 34 Jahre alt und bis dato Fischer, erwarb ihn aus dem Nachlass der Kaiserlichen Marine. Das Schiff hatte lediglich eine Länge von 20 Metern, war nur 5,5 Meter breit und hatte eine Leistung von 70 PS. Otto Wulf ließ ihn nach seinen Vorstellungen zum Bergungsfahrzeug „Taucher O. Wulf“ umrüsten. Gerade dieser kleine, zähe Schlepper erwies sich als ideal bei vielen Ankerbergungen, die nun folgten und bei Hilfeleistungen im flachen Revier.


Der Firmengründer Otto Wulf machte sich mit teils spektakulären Bergungen, wie jener der „Constantis Lemos“ im Jahr 1930, einen Namen und wurde an der Küste bezeichnet als „richtiger Fuerfreeter, der weder Dood noch Dübel scheut und oft den halben Mors riskiert“. Durch die Weltkriegsjahre kam das Unternehmen weitgehend unbeschadet und erlebte ab 1950 eine Blütephase mit der Wiedererstarkung der Schifffahrt auf der Elbe und der florierenden Fischerei- und Handelsschifffahrt.


Nach dem Tod des Unternehmensgründer 1955, übernahmen seine Söhne Klaus und Hans Wulf als gleichberechtigte Nachfolger und bauten das Unternehmen und die Flotte weiter aus. Bereits 1956 trat als Vertreter der dritten Generation auch Hans-Joachim Wulf, Kapitän A6 auf großer Fahrt, in die Dienste des Unternehmens ein. Die Firma wuchs stetig und konnte bedeutende Aufträge, wie 1961 den Lotsen- und Personenversetzdienst von Cuxhaven, an Land ziehen – eine Aufgabe, die die Firma komplette 39 Jahre lang ohne einen einzigen Zwischenfall ausführte. 1964 trat als weiterer Vertreter der dritten Generation Otto Wulf ins Familienunternehmen ein, ebenfalls als Kapitän A6 auf großer Fahrt, und übernahm 1966 die gleichberechtigte Geschäftsführung.


Die Aktivitäten der Firma Otto Wulf verlagerten sich über den Umkreis von Cuxhaven hinaus, der Radius der Schleppeinsätze erweiterte sich deutlich. Dann ereignete sich im Jahr 1973 ein tragischer Unfall, der Hans-Joachim Wulf im jungen Alter von 43 Jahren aus dem Leben riss. Sein unerwarteter Verlust belastete die Familie wie das Unternehmen Wulf schwer – zumal Cuxhaven in dieser Zeit durch den Abzug der Marine und den Niedergang der Fischereiflotte gravierenden strukturellen Veränderungen unterlag. Doch die Firma Wulf stieg mit dem Erwerb des ersten Pontons T.O.W.I ab 1975 ins nächste lukrative Geschäftsfeld ein und übernahm fortan viele nationale wie internationale Seetransporte, insbesondere von schweren Schiffssektionen.


1986 trat mit Andreas Wulf, Diplom-Ökonom und Kapitän, der erste Vertreter der vierten und damit der aktuellen Generation im sehr jungen Alter von 27 Jahren als Geschäftsführer in die Firma ein. In dieser Zeit war das Unternehmen Wulf gemeinsam mit den Bugsier- und Fairplay-Schleppern an vielen aufwendigen Bergungseinsätzen beteiligt. Zudem baute die Cuxhavener Reederei ihr Spektrum an maritimen Dienstleitungen sowie ihre internationalen Einsatzgebiete, insbesondere nach der Wende auch in Ostdeutschland und Polen, weiter aus. Einer der wichtigsten Aufträge jener Zeit waren die regelmäßigen Öltransporte von Deutschlands einziger Förderinsel „Mittelplate A“ nach Brunsbüttel. Über 5.000 Transporte absolvierte die Firma Wulf zuverlässig und unfallfrei bis zum Jahr 2005. Dann legte man eine Rohrleitung zur Förderinsel und die Transporte wurden somit ersetzt. Seit 2007 komplettiert Sören Wulf, Sohn von Otto Wulf, Betriebswirt und Schifffahrtskaufmann, die amtierende Geschäftsführung. Sein Vater, Otto Wulf, ging 2015 nach langjähriger, erfolgreicher Tätigkeit in der Firma in den Ruhestand.


Seit den 2000er Jahren sind die Einsätze der Wulf Schlepper und Pontons vor allem von Seetransporten im Energiesektor und zunehmend von den Bedürfnissen der Windkraftindustrie im Offshore-Bereich geprägt. Zu den Highlight-Aufträgen der jüngeren Zeit gehört auch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Firma Airbus seit 2005. Mit der Firma Wulf Seetransporte bringt das Spezialschiff „Kugelbake“ regelmäßig großvolumige Flugzeugkomponenten von Nordenham nach Finkenwerder – weit über 1000 Fahrten dieser Art hat die „Kugelbake“ bisher absolviert.


Nach vorne sehen – auch in herausfordernden Zeiten


Und wo steht die Firma Otto Wulf im Jubiläumsjahr? Mit einer Flotte von Hochleistungsschleppern mit bis zu 4.500 PS, mit Pontons mit einer Tragfähigkeit von bis zu 10.000 Tonnen und dem 80 Meter langen Spezialtransporter „Kugelbake“ ist die Firma für alle Anforderungen auf See bestens gerüstet – seien es Schleppdienste, Taucher- und Bergungsarbeiten, Seetransporte, Schwimmkraneinsätze, komplexe Überführungen von Schiffbau- oder Flugzeugteilen sowie von Brückenkonstruktionen oder für den Transport langer Komponenten von Windkraftanlagen. Auch Seeschiffsassistenz und PontonVercharterungen sowie die Vermietung von Spezialtechnik bieten die Cuxhavener an. Und das bis in ferne Gefilde – u.a. betreibt die Firma im Persischen Golf den Spezialschlepper „Havanah“.


Dennoch steht die Reederei Wulf auch vor Herausforderungen: Der Krieg in der Ukraine, die gestörten Logistikketten weltweit, die spürbaren Auswirkungen der Klimakrise durch Wetterkapriolen – dies sind nur einige aktuelle Entwicklungen, mit denen die Firma Otto Wulf in ihrem Alltagsgeschäft auf See direkt konfrontiert wird. Aber das Unternehmen hat es über ein ganzes Jahrhundert geschafft, sich immer wieder anzupassen. „Mit Pionierarbeit kennen wir uns aus, neue Herausforderungen nehmen wir an und suchen nach passenden Lösungen“, kommentiert Andreas Wulf. Und Sören Wulf fügt hinzu: „Bei allen Veränderungen, mit denen wir uns auseinandersetzen, vertrauen wir doch immer wieder auf die Grundwerte unseres Familienunternehmens – Fairness, Verlässlichkeit und Optimismus. Und dieses Firmen- und Familiencredo legen wir auch unseren Nachfolgern ans Herz.“

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