TCM

Jubiläum

10 Jahre HanseMerkur Zentrums für Traditionelle Chinesische Medizin am UKE

Interview mit Geschäftsführer, PD Dr. Sven Schröder

Am 1. Juli 2010 eröffnete das HanseMerkur Zentrum für Traditionelle Chinesische Medizin eine ambulante Einrichtung auf dem Gelände des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Damit konzentriert sich erstmals ein Zentrum ganz auf die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). Forschung, Lehre und Therapie sind unter einem Dach vereint. In der Forschung wird durch Verfahren der Zellbiologie sowie molekularbiologische und biochemische Methoden der Anschluss an die Naturwissenschaften sichergestellt. Zu den Zielen des Zentrums zählen seit Beginn die Erforschung der Wirkungen und der Effizienz in der TCM, die Weiterbildung und Lehre für Studenten, Ärzte und Therapeuten, die Behandlung mit TCM auf hohem Niveau und zu guter Letzt, die Intensivierung der Städtepartnerschaft Hamburg – Shanghai. Im vergangenen Jahr hätte das HanseMerkur Zentrums für Traditionelle Chinesische Medizin am UKE ihr 10-jähriges Bestehen begehen sollen. Eine zentrale Festveranstaltung musste wegen Covid19 aber abgesagt werden. Geschäftsführer, PD Dr. Sven Schröder über die Anfangsschwierigkeiten, Behandlungsmethoden und den Stand der Forschung im Interview.

Am 1. Juli 2010 ging das HanseMerkur Zentrum für Traditionelle Medizin am UKE an den Start. Ist für Sie rückblickend die Idee, Forschung, Lehre und Therapie unter einem Dach zu bündeln, die richtige Entscheidung gewesen?

Zu den Therapien der Chinesischen Medizin gehören Akupunktur, Chinesische Arzneitherapie, manuelle Behandlungen (Tuina), Bewegungsübungen (Tai-Chi und Qi-Gong), Diätempfehlungen und Empfehlungen zur Lebensführung. Davon hat sich vieles bereits auch in Europa in der praktischen Behandlung etabliert. Gerade in Deutschland werden die Akupunktur und zunehmend auch die Chinesische Arzneitherapie von Ärzten in ihre Behandlung integriert. Akupunktur für Knie- und Rückenschmerzen wird von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, private Versicherer wie die HanseMerkur übernehmen auch weitere Therapien, je nach Tarif. Wichtig war uns hierbei immer, dass diese Therapien nicht als Alternative zur westlichen Medizin, sondern als Implementäre sinnvolle Ergänzungen zur klassischen Medizin wahrgenommen werden.

Im Gegensatz zum pragmatischen Ansatz vieler niedergelassener Ärzte und auch der Krankenversicherer sowie der hohen Akzeptanz in der Bevölkerung, war die Anerkennung von Therapien in der akademischen Medizin begrenzt, viele Therapien wurden als unbelegt und nicht evidenzbasiert aufgefasst. Daher war es gut, dass die Erforschung der Chinesischen Medizin mit naturwissenschaftlichen Methoden erstes Ziel des HanseMerkur Zentrums für TCM am UKE war und ist. Aber gerade die klinische Forschung mit Patientenbeteiligung wäre ohne die angegliederte Praxis gar nicht durchführbar gewesen, insofern waren diese beiden Standbeine unter einem Dach essentiell für die Erfolge in Behandlung und Forschung. Im Verlauf wurden dann als drittes Standbein auch die Lehre zunehmend aufgebaut. 2018 war der Startschuss für die Gründung eines TCM-Masterstudiums für Ärzte. Dies ist ein Gemeinschaftsprojekt der TCM-Universität Shanghai, der Akademie für Bildung und Karriere des UKE und des HMZ.


Das Zentrum hat immer wieder mit vielen Veranstaltungen wie den Tagen der offenen Tür oder Symposien, durch die Unterstützung von CHINA TIME und der Nacht des Wissens, aber auch durch Bürgermeister- und Botschafterbesuche auf sich aufmerksam gemacht. Was waren für Sie die Meilensteine in dieser Phase des Bekanntheits- und Reputationsaufbaus?

Die Öffentlichkeitsveranstaltungen, insbesondere im Rahmen der CHINA TIME oder auch im Rahmen der „Nacht des Wissens“ bestätigten uns, wie sehr die Hamburger Bevölkerung an unseren Behandlungen interessiert war. Bei unserer ersten Veranstaltung 2010 wurde das Zentrum von der hohen Besucherzahl (fast 1000 über einem Tag) geradezu überrollt. Auch unsere Vorträge fanden überaus viele Interessenten. Hohe Aufmerksamkeit fand auch eine Wanderausstellung der TCM-Universität Shanghai, die wir an das Medizinhistorischen Museum des UKE vermitteln konnten. Alles dies half den Ruf des Zentrums als seriöses Kompetenzzentrum für Therapie und Forschung in Hamburg zu etablieren. Eine besondere Ehre war natürlich auch, dass wir gefragt wurden eine Delegationsreise des ersten Hamburger Bürgermeisters Dr. Tschentscher nach Shanghai zu begleiten.

Was waren bislang Ihre Forschungsschwerpunkte und mit welchen internationalen Partnern arbeiten Sie schwerpunktmäßig zusammen?

Unsere ersten Laborforschungen beschäftigten sich mit der Erforschung von Chinesischen Arzneien bezüglich ihrer nervenzellschützenden Wirkung. Dabei zeigten sich, dass ein Chinesisches Heilkraut, der Chinesische Goldfaden (Rhizoma Coptidis), in Parkinson-Modellen die Nervenzellen schützt. Diese Forschungen konnten wir in Kooperation mit Tongji Universität Shanghai und dem Anatomischen Institutes des UKE durchführen. Mit den Universitäten in Genf und Zürich haben wir die Wirkungen von Chinesischen Heilkräutern auf den Fettstoffwechsel untersucht. Gemeinsam mit Prof. Gerloff, dem Chef der Neurologischen Klinik des UKE haben wir die Akupunkturwirkungen auf die Polyneuropathie untersucht. Dabei handelt es sich um Schädigungen der feinen Nervenendigungen in den Füßen und Händen, wie sie z.B. bei Diabetikern regelmäßig auftreten. Mit der Unfallchirurgie des UKE haben wir eine klinische Studie zur „Frozen Shoulder“ durchgeführt und in einer Anschlussstudie mit der Neurophysiologie des UKE erste Erkenntnisse über den Mechanismus dieser Therapie, Akupunktur bewirkte eine Veränderung der Kommunikation der Schmerzzentren im Hirn, gewinnen können. 


Seit Anbeginn verfügt das TCM-Zentrum über einen wissenschaftlichen Beirat auch mit schulmedizinischen Forschern und Klinikdirektoren. Was ist die Aufgabe dieses Gremiums?

Wir wurden gut kontrolliert (lacht). Nein, in erster Linie wurden wir gut beraten. Zunächst war dieses Gremium gegründet worden um sicherzustellen, dass wir Forschungsstandards beachten und in unserer Methodik wissenschaftlich sauber arbeiten. Diesbezüglich konnten wir die Kollegen aber von Anfang an überzeugen, so dass es zu einem Gremium wurde, das uns sehr stark inhaltlich unterstützt hat, z.B. in der Vermittlung von Kontakten zu anderen Forschergruppen, logistischer Unterstützung und ganz pragmatisch bei der Planung von Experimenten und Studien. Hier hat sich insbesondere der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates, der Leiter der Anatomie des UKE Prof. Schumacher sehr stark engagiert.


Das Zentrum ist angetreten, transparente Qualitätsstandards für die TCM-Medizin zu definieren und die Wirkmechanismen der asiatischen Heillehre mit naturwissenschaftlichen Verfahren zu erforschen. Wie prägen diese Ziele Ihre tägliche Arbeit, auch in Gremien und Forschungsverbünden?

Unsere eigene wissenschaftliche Tätigkeit hat uns geschult auf Qualität und Sicherheit zu achten. Hier liegt uns auch der Verbraucherschutz sehr am Herzen. Insofern haben wir von Anfang an in internationalen Gremien mitgearbeitet. Dies begann mit einer von der EU geförderten Initiative „Good Practice in TCM“ und setzt sich weiter fort in der internationalen Standardisierung der TCM nach ISO (International Standardisation Organisation). In diesem Prozess leite ich der Arbeitsgruppe „Qualität und Sicherheit Chinesischer Arzneiprodukte“. Hier achten wir sehr darauf, dass sich unsere hohen europäischen Standards auch international etablieren. 


Zusammen mit der TCM-Universität Shanghai bieten Sie seit dem Wintersemester 2018/19 auch den Studiengang „Master of Chinese Medicine“ an. An wen richtet sich diese Weiterbildung und wie sieht das Curriculum aus?

Wir konnten nach Vorbereitung über mehrere Jahre ein TCM-Masterstudium für Ärzte in Hamburg etablieren. Das Studium ist als berufsbegleitende Ausbildung über 3 Jahre ausgelegt. Die aktuell 15 ärztlichen Studenten erhalten über 1450 Präsenzstunden Unterricht, dabei unterrichten erfahren deutsche Dozenten und chinesische Dozenten in intensiven Blockseminaren. Das Curriculum entspricht den hohen Qualitätskriterien der TCM-Universität Shanghai, die auch den Master-Titel vergibt. Jedes Jahr fahren die Studenten einmal für 10 Tage nach Shanghai, um dort Spezialkurse und Bedside-Teaching in den großen Lehrkrankenhäusern zu absolvieren. Alle Studenten müssen zusätzliche eine wissenschaftliche Masterarbeit schreiben. Dies fördert die Wissenschaft und den Austausch zwischen Hamburger und Shanghaier Forschern.


Ursprünglich waren die HanseMerkur, das UKE und die Freie und Hansestadt Hamburg über die Behörde für Wissenschaft und Forschung die drei Gesellschafter des China-Zentrums. Die Stadt hat dann ihre Anteile auf das UKE übertragen und ein neuer Gesellschafter kam hinzu. Warum kam es zu der Zusammenarbeit mit Stralsund?

Die Hansestadt Hamburg war Gründungsgesellschafter des HMZ, übergab dann aber aus formalen Gründen ihre Anteile an das UKE. Da das UKE aber in 100-prozentigem Besitz der Stadt ist, hat sich eigentlich bezüglich der städtischen Unterstützung wenig geändert, insbesondere die Wissenschaftsbehörde unter Vorsitz der zweiten Bürgermeisterin Fegebank unterstützt das Zentrum im In- und Ausland. Im letzten Jahr sind wir dann zusätzlich eine Kooperation mit dem Konfuzius-Institut Stralsund eingegangen. Diese norddeutsche Zusammenarbeit ergab sich logisch, da das Konfuzius-Institut Stralsund seinen Schwerpunkt im Bereich der TCM sieht und enge Beziehungen zu Forschungsgruppen in unterschiedlichen Universitäten in China pflegt. Dadurch entstanden neue wichtige Kontakte mit hochrangigen Wissenschaftlern in Peking aber auch aus anderen Regionen in China wie der Anhui-Provinz, einer der wichtigsten Anbauregionen für Chinesische Arzneipflanzen. Mit Stralsund arbeiten wir auch in der Weiterbildung zusammen, so haben wir gemeinsam im Frühjahr eine Online-Ausbildungsreihe zur begleitenden TCM-Arzneitherapie von COVID-19 organisiert. Zugeschaltet waren renommierte Experten aus Shanghai und Hefei.


Ihr Allianzpartner ConPhyMed bietet mit einem chinesischen Partnerunternehmen seit 2019 erstmals auf dem deutschen Markt bequemere Darreichungsformen der chinesischen Arzneien an. Warum markiert dieses Verfahren einen Durchbruch?

Chinesische Arzneitherapie gab es in qualitätsgeprüfter Form bis zum letzten Jahr nur in Form von Rohpflanzen, die nach dem Rezept vom Arzt vom Apotheker zusammengemischt wurden. Diese Pflanzen musste der Patient dann mühsam als sogenanntes Dekokt auskochen. Es gab zwar immer wieder Anbieter von sogenannten Granulaten, deren Herstellungsweise und deren Qualitätsüberprüfung aber vollkommen intransparent waren und nicht den notwendigen deutschen Qualitäts- und Sicherheitsbestimmungen entsprachen. Daher haben sich die deutschen Pharmazieräte sehr für ein Verbot dieser Granulate eingesetzt.


Seit letztem August sind jetzt sogenannte Kompaktate, also auch Chinesische Arzneien in Pulverform die man nur aufgießen muss, in Deutschland im Handel. Die Firma ConPhyMed hat dafür gesorgt, dass diese Kräuterkompaktate in China nach europäischen Standards hergestellt, in Deutschland nach allen gesetzlichen Vorschriften überprüft und den Behörden alle Sicherheitsdaten transparent zur Verfügung gestellt werden. Dadurch stehen erstmals qualitätsgesicherte Chinesische Arzneien in bequemer Darreichungsform legal auf dem deutschen Markt zur Verfügung. Insofern ist dies sicher ein Meilenstein der hilft die Chinesische Arzneitherapie mit seinen sehr vielen therapeutischen Einsatzmöglichkeiten in Deutschland weiter zu etablieren. 


Kürzlich haben Sie über eine Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „Phytomedicine“ weltweit Schlagzeilen gemacht, wonach ShufengJiedu-Kapseln aus acht chinesischen Arzneipflanzen wohl auch bei COVID-19 Patienten erfolgreich eiungesetzt werden könnten. Können Sie das bitte erläutern?

Wir haben gemeinsam mit zwei Chinesischen Arbeitsgruppen Daten ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass drei Inhaltsstoffe von ShuFengJieDu, ein in China für den grippalen Infekt und die Virusgrippe zugelassenes Medikament, an die Hauptproteasse des SARS-CoV-2 Virus andockt und damit vermutlich deren Vermehrung verhindern kann. Ferner konnte gezeigt werden, dass ShuFengJieDu im Tierversuch gegen Coronaviren wirkt. In einer kleinen klinischen Studie konnte ferner gezeigt werden, dass die zusätzliche Gabe von ShuFenJieDu zur Standardtherapie Husten und Fatigue (Erschöpfung) deutlich linderte und verkürzte. Dabei erwies sich die frühe Gabe, also gleich bei den ersten Symptomen, als besonders effektiv. Größere Studien müssen dies in Zukunft aber noch untermauern. Der Vorteil von ShuFengJieDu ist, dass es als Mischung der qualitätsgesicherten Kompaktate durch den Apotheker in Deutschland bereits verfügbar ist.

 

Sie dürfen sich seit Anfang 2019 Privatdozent nennen, da das UKE Ihre Habilitationsschrift zum Thema „Erforschung der Wirkungen von Therapien der Chinesischen Medizin auf das Nervensystem“ angenommen hat. Welche neurologische Erkrankung haben Sie dabei in den Fokus genommen?

Die Behandlung der Polyneuropathie, die Parkinson-Erkrankung und die Behandlung von Schmerzen standen im Vordergrund. Mit Methoden der Chinesischen Medizin haben wir sowohl für Erkrankungen des zentralen Nervensystems, also Gehirn und Rückenmark als auch für Erkrankungen der peripheren Nerven, also der Nervenendigungen in Armen und Beinen, Behandlungsoptionen zur Verfügung. Interessant war, dass die Schäden an den Nervenendigungen der Arme und Beine bei Polyneuropathie durch Akupunktur verbessert wurde, egal ob Diabetes oder die Folgen Chemotherapie die Ursache für die Erkrankung waren. Die Ergebnisse sind auch deswegen beachtlich, da der Therapieeffekt mit einem objektiven Messverfahren, nämlich der Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, belegt werden konnte. Auch sind die Ergebnisse von Bedeutung, da es kein westliches Therapieverfahren gibt, welches die Nervenfunktion bei Polyneuropathie bessert. Red. NW




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