Wehrtechnik - Größter Marineauftrag an Land gezogen

Wehrtechnik

Größter Marineauftrag an Land gezogen - Wachstumsmotor Export

von: Stefan Lipsky

Kiel, 31. August 2021 - Für 5,5 Milliarden Euro haben Norwegen und Deutschland sechs hochmoderne U-Boote bei der Kieler Werft TKMS bestellt. Das ist der größte Einzelauftrag in der deutschen Werftgeschichte. Auch sonst floriert das Rüstungsgeschäft im Norden, wie der schleswig-holsteinische Arbeitskreis Wehrtechnik feststellt.

„Die wehrtechnische Industrie in Schleswig-Holstein ist mit ihren dreißig Unternehmen ein strategischer Partner der Bundeswehr und ausländischer Streitkräfte“, so der Vorsitzende des Arbeitskreises Wehrtechnik Schleswig-Holstein, Dieter Hanel. „Mit rund 7.300 direkt in der Wehrtechnik Beschäftigten erreichte dieser Bereich einen Personalhöchststand. Seit dem Vorjahr einen Zuwachs von sechs Prozent und seit 2010 von knapp 50 Prozent. Es wurden bedeutende Auftragseingänge mit neuen, missions-gerechten und technologisch federführenden Produkten - insbesondere im Ausland - verzeichnet und so konnte die starke Marktposition behauptet werden. Die Wehrtechnik leistet damit einen unverzichtbaren Beitrag zur Sicherheit Deutschlands und zum Industriestandort Schleswig-Holstein.“

 

„Dennoch besteht weiterhin erheblicher politischer Handlungsbedarf, so Hanel, „die sicherheitspolitische Lage wird durch einen Anstieg der weltweiten Bedrohungen und Risiken bestimmt. Aber auch die territoriale Annexion sowie Verletzung der Souveränität eines Staates ist, wie die Ukraine-Krise gezeigt hat, in Europa wieder möglich geworden. Zugleich verzeichnen wir das Aufkommen neuer Mächte, wie das global agierende China und das militärisch expansiv operierende Russland. Dies führt zu tiefgreifenden Veränderungen der geopolitischen Machtverhältnisse.“

 

Eine gravierende Schwäche der deutschen Sicherheitspolitik liege darin, dass sie aus gesellschaftlicher, parteipolitischer und finanzpolitischer Rücksichtnahme unsere nationalen Interessen nicht entsprechend deutlich artikuliert und die seit der Wiedervereinigung beträchtlich unterfinanzierte Bundeswehr ständig nie zu Ende gebrachten Reformen und strukturellen Veränderungen unterworfen ist.

 

Dies verdeutlichen auch die jüngst von der NATO veröffentlichen Verteidigungsausgaben Deutschlands im Bündnis, die der politischen, wirtschaftlichen und geostrategischen Bedeutung des Landes keineswegs angemessen sind. Bei dem in der NATO auch mit Zustimmung der Bundesrepublik in Wales 2014 vereinbarten Anteil der Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt Deutschland mit 1,6 Prozent an 18. Stelle. Bei den Ausgaben für Beschaffungen, für die 20 Prozent vereinbart wurden, liegt das Land einem Anteil von 16,9 Prozent sogar nur an 22. Stelle.

 

Die Bundeswehr und die wehrtechnische Industrie bilden strategisch eine unverzichtbare Grundlage für unsere nationale Sicherheitsvorsorge. Sie benötigen zur Landes- oder Bündnisverteidigung sowie für weltweite friedensschaffende, friedenserhaltende oder humanitäre Einsätze eine missionsgerechte Ausrüstung, die dem vielschichtigen Auftrag gerecht wird.

 

Die wehrtechnische Industrie in Schleswig-Holstein ist mit dem Marineschiffbau, der Landsystem-, Luftfahrt-, Waffen- und Munitionsindustrie, den Kommunikationssystemen sowie mit der Sensorik, Optik, Optronik weit gefächert.  Der jährliche Wehrtechnik-Umsatz dieser Unternehmen schwankt abrechnungstechnisch bedingt und liegt bei bis zu zwei Milliarden Euro.  Die Auslandsmärkte haben für die wehrtechnische Industrie stark an Bedeutung gewonnen, nicht nur durch die drastische Verringerung des nationalen Rüstungsmarktes als Folge der Reduzierung des Umfanges der Bundeswehr und des investiven Anteils am Verteidigungshaushalt, sondern durch die Erfordernisse verstärkter internationaler Rüstungskooperation.

 

Der große Exportanteil am Umsatz (50 bis 70 Prozent) und die erfolgreiche Erschließung zahlreicher relevanter Auslandsmärkte verdeutlichen dies. Von den 82 relevanten Aufträgen der letzten zehn Jahre entfielen 58 auf den Export, davon 26 Aufträge aus Drittländern mit den Schwerpunkten Fernost sowie Mittlerer Osten und Nordafrika (MENA).


Die wehrtechnische Industrie konnte auch im Jahr 2020 und 2021 bedeutende Auftragseingänge im In- und Ausland verzeichnen. Zu nennen sind


  • 4 Fregatten in Brasilien bei thyssenkrupp Marine Systems,Kiel,
  • 4 norwegische und 2 deutschen U-Booten bei thyssenkrupp Marine Systems (5,5 Milliarden Euro),
  • 218 ungarische Schützenpanzer LYNX und 9 Bergepanzer 3 BÜFFEL (2 Milliarden Euro), 44 deutsche Pionierpanzer KODIAK (295 Millionen Euro), Leistungssteigerung von 150 Schützenpanzern PUMA  - alles bei Rheinmetall Landsysteme,
  • Sonarsysteme für italienische zwei U-Boote der Klasse 212A bei ELAC SONAR (49 Millionen Euro).

 

Die 16 leistungsfähigen, zumeist mittelständisch geprägten Unternehmen des Marineschiffbaus in diesem Bundesland sind ein wichtiger Bestandteil der deutschen Rüstungsbasis. Die wehrtechnischen Geschäftsaktivitäten dieser Unternehmen sind weit gefächert. Der Exportanteil am Umsatz beträgt rund 50 bis 70 Prozent. Von den 32 relevanten Auftragseingängen, die der Marineschiffbau in Schleswig-Holstein in den letzten zehn Jahren erhalten hat, kommen 26 aus dem Ausland. Schwerpunkte der 18 Länder liegen in Europa, Asien sowie im Mittleren Osten und Nordafrika. Die Landsystemindustrie zählt 11 Unternehmen, in denen rund 1.700 Mitarbeiter in der Wehrtechnik beschäftigt sind.

 

Die Sicherung des Standortes für die wehrtechnische Industrie ist in erster Linie eine politische Aufgabe und stellt die Politik vor folgende Herausforderungen:


  1. Erhalt der sicherheitspolitisch und technologisch notwendigen Kapazitäten in der Rüstungsindustrie in Deutschland durch die Beschaffung der benötigten Ausrüstung zur Schließung der Fähigkeitslücken der Bundeswehr.
  2. Erhalt des breiten Spektrums nationaler wehrtechnischer Schlüsseltechnologien und Kernfähigkeiten der wehrtechnischen Industrie, die den Industriestandort Schleswig-Holstein prägt.
  3. Kontinuierliche Abstimmung und einvernehmliche Fortschreibung der zwischen der Bundeswehr und der wehrtechnischen Industrie vereinbarten Schlüsseltechnologien und Kernfähigkeiten.
  4. Harmonisierung der europäischen Rüstungsexportbestimmungen aufgrund der verstärkten europäischen und transatlantischen Rüstungskooperationen zur Sicherung der Chancengleichheit im internationalen Wettbewerb.
  5. Angemessene, wirtschaftlich vertretbare Beteiligung der deutschen Industrie, insbesondere der mittelständischen Unternehmen, bei der Beschaffung von ausländischen Rüstungsgütern.
  6. Bei Unternehmen in Schleswig-Holstein unter ausländischer Führung dürfen keine ungewollten Abhängigkeiten von ausländischen Führungsgesellschaften entstehen, keine hochwertigen Arbeitsplätze abgebaut werden und kein Know-how ungewollt abfließen.
  7. Stärkere Verzahnung der äußeren und inneren Sicherheit insbesondere auf Landesebene zu einem Gesamtsicherheitskonzept. Auf diesem Gebiet öffnen sich für die schleswig-holsteinischen Unternehmen neue Marktpotentiale, insbesondere in der maritimen Sicherheit.


„Die Wehrtechnik-Unternehmen in Schleswig-Holstein“, so der Arbeitskreis-Vorsitzende Dieter Hanel abschließend, „haben sich strategisch erfolgreich ausgerichtet und befinden sich weiterhin im Aufwärtstrend. Besonders erfreulich ist die ausgeprägte Investitionsbereitschaft. Die Wehrtechnik-Unternehmen im Norden setzen auf den Industrie-Standort Schleswig-Holstein.“ NW/SL

 

Share by: