Erstberatung bei Erfindungen unumgaenglich

Erfindungen

Erstberatung bei Erfindungen unumgänglich

Interview mit dem Hamburger Patentanwalt Gerd Koepe

Die Ende des 19. Jahrhunderts in Großbritannien eingeführte Bezeichnung „Made in Germany“, ursprünglich zum Schutz englischer Güter vor vermeintlich billiger und minderwertiger Konkurrenz-Importware aus Deutschland, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Synonym für das deutsche Wirtschaftswunder. Made in Germany galt viele Jahrzehnte lang als Gütesiegel und kennzeichnet auch heute deutsche Produkte, die hohes internationales Ansehen genießen. Dabei steht der Begriff nicht allein für gute Qualität, sondern auch für eine Innovationskultur, die seit der Erfindung des Buchdrucks auf eine lange Tradition zurückgeht und zahlreiche deutsche Erfindungen hervorgebracht hat.

Der Erfindergeist in Deutschland ist nach wie vor ungebrochen. Dafür zeugen unter anderem viele bundes- und landesweite Innovationswettbewerbe. „Wir brauchen technische Innovation, Erfindergeist und Kreativität“, so Bundeskanzler Olaf Scholz unlängst vor den Preisträgerinnen und Preisträgern des diesjährigen „Jugend forscht“ - Wettbewerbs. Dass "Innovationen ungeahnte Chancen bieten" weiß auch Frank Terhorst, Leiter Strategy bei der Bayer AG und betont zugleich "die Bandbreite an Möglichkeiten ist riesig“.

Das Markenzeichen "Made in Germany" wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Synonym für das deutsche Wirtschaftswunder.

Doch nicht nur wissbegierige Jugendliche erliegen dem Zauber von Wissenschaft und Forschung. Auch alle Sektoren der Industrie und der universitären Forschung brennen für Forschung und Innovation. Einer der wichtigsten Akteure der deutschen Wirtschaft ist der Mittelstand. Nicht selten trifft hier Erfindergeist auf industrielle Tradition und arbeiten etablierte Unternehmen mit Forschungseinrichtungen und Hochschulen unter Aufbietung gemeinsamer Kraftanstrengungen daran, neue Technologien zu kreieren und sie in die Praxis umzusetzen und zu implementieren. Am Anfang stehen dabei Überlegungen zur rechtlichen Absicherung einer Erfindung: So sind im frühen Stadium des Prozesses beispielsweise Fragen des Schutzes der neuen Technologie durch Einreichen einer Patentanmeldung, des Markenschutzes, des Design-Schutzes, der Umgang mit Verschwiegenheit und des möglichen Suchens nach Kooperationspartnern für eine Lizenzvergabe einschließlich des Zeichnens von Kooperations- und Lizenzverträgen von großer strategischer Bedeutung. Denn nicht selten werden gleich zu Beginn der Implementierung einer Erfindung Fehler gemacht, die später nicht oder nur sehr schwer auszuräumen sind. Daher ist nach Auffassung von Gerd Koepe, Patentanwalt in Hamburg, zumindest eine Erstberatung unumgänglich. Was diese beinhaltet und worauf Forscher und Erfinder achten sollten, darüber hat die Nord Wirtschaft mit Gerd Koepe gesprochen.

Nord Wirtschaft: Herr Koepe, wann sollte sich ein Ratsuchender oder eine Ratsuchende an einen Patentanwalt oder an eine Patentanwältin wenden, sei es direkt in der Kanzlei oder im Rahmen einer - im Einzelfall idealerweise kostenlosen - Erfinder-Einstiegsberatung?

 

Koepe: Bitte erlauben Sie mir, dazu gleich zu Beginn auf den früheren, inzwischen verstorbenen Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts, Herrn Dr. Erich Häusser, zurückgehenden, kurz gefassten Satz hinzuweisen: „Wer nicht erfindet, verschwindet … wer dann nicht patentiert, verliert … wer zu früh drüber spricht, erhält ein Schutzrecht nicht!“ Um Ihre Frage konkret zu beantworten: So früh wie möglich!

Was spricht für eine frühzeitige Beratung?

 Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Erstens: Der Erfinder, die Erfinderin*) oder der Ideengeber muss beachten, dass ein Schutzrecht – letzten Endes – nur demjenigen oder derjenigen zusteht, der mit seiner Idee als Erster eine Anmeldung zum Schutz seiner bzw. ihrer Idee beim Patentamt platziert. Daher ist zügiges Anmelden der Erfindung ratsam. Dazu sollte man sich vorher immer patentanwaltlich beraten lassen. Die Erfinder-Erstberatung ist hierfür ein Einstieg. Für eine ins Detail gehende Beratung reicht die Erfinder-Erstberatung meist nicht aus. Eine spezifische Einzelfall-Beratung ist zielführend.


Zweitens: Die Gesetze, die festlegen, unter welchen Bedingungen dem Erfinder ein Schutzrecht erteilt werden kann, sehen unter anderem vor, dass ein Schutzrecht - z. B. ein Patent oder ein Designrecht - nur erteilt wird für eine neue Erfindung, so beispielsweise für eine neue technische Vorrichtung, ein neues technisches Verfahren, ein neues Produktdesign. Neu ist eine Erfindung jedoch nur dann, wenn sie vorher der einschlägigen Öffentlichkeit noch nicht bekannt geworden ist. Ein häufiges Problem resultiert daraus, dass der Erfinder selbst in der Öffentlichkeit über die Erfindung spricht, auf einem Kongress einen Vortrag darüber hält, eine - unter Umständen wissenschaftliche - Publikation über die Erfindung macht oder – beispielsweise auf der Suche nach Sponsoren, Förderern, Investoren o.ä. – die Erfindung einer dritten Person offenbart, die aber nicht der beratende Patentanwalt ist, der zur Geheimhaltung verpflichtet ist.


Ein solcher Neuheits-Verlust durch „Erzählen“ der Erfindung in der Öffentlichkeit kann nicht wieder rückgängig gemacht werden: Nach einer solchen, unter Umständen sogar versehentlichen Offenbarung durch den Erfinder ist die Erfindung nicht mehr durch ein technisches Schutzrecht oder ein Design schützbar. Dem Erfinder gleich bei der kostenlosen Einstiegsberatung anzuraten, keine neuheitsschädliche Offenbarung der Erfindung zu generieren, ist ein hoch-relevanter Rat und leider auch manchmal ein schon zu spät kommender.

 

Was raten Sie als Patentanwalt in einem solchen Fall den Erfindern?

Die vorgenannten Beispiele bezeichne ich als „aktives“ Vorgehen zum Ideen-Schutz: Aktiv insoweit, als ich dem Erfinder rate, selbst aktiv etwas zum Schutz der eigenen Erfindung zu tun, sozusagen selbst Maßnahmen zu ergreifen, die letzten Endes zu einem Schutz der eigenen Erfindung durch ein Schutzrecht - Patent, Design usw.-  führen können. Dem steht gegenüber ein „passives“ Vorgehen der Erfinder, mit dem sie vermeiden, dass andere sie wegen Verletzung von Schutzrechten vor Gericht bringen:

 

Im Rahmen dieses als „passives Vorgehen“ bezeichneten dritten Ansatzes ist es von größter Wichtigkeit, sich als Erfinder durch eine gezielte Recherche ein Bild von Ideen und Erfindungen anderer zu machen, die bereits als angemeldetes Schutzrecht, als wissenschaftliche Publikation, als vermarktetes Produkt usw. veröffentlicht sind. Weiterführende Recherche-Ansätze können in einer Diskussion in der Erstberatung initiiert werden. So lassen sich Interessenkollisionen, oder auch das „Erfinden des Rads zum zweiten Mal“, frühzeitig erkennen und – idealerweise – vermeiden.

 

Zum Beispiel?

Letztlich hatte ich mit einer Interessentin zu diskutieren, wie sie vermeiden kann, mit einer eigenen Idee zur Bezeichnung eines von ihr hergestellten Produkts, also mit einer Marke, von einer anderen Partei angegriffen zu werden, weil die bei mir Rat suchende Interessentin eine bereits existierende Firmenbezeichnung ohne Berechtigung benutzen wollte.

 

Betrifft das auch Personen, die  nur aufgrund einer Idee vor der Weiterentwicklung einer konkreten Technologie beim Patentamt oder einem der Zentren für Innovationsberatung eine kostenlose Erstberatung zum Schutz ihrer Idee in Anspruch nehmen wollen?

Nein und ja: Nein deswegen, weil – wie ich weiter unten noch erläutern möchte - das Beratungsgespräch mit einem Patentanwalt bei der Erfinder-Erstberatung oder bei der weiterführenden patentanwaltlichen Beratung immer vertraulich ist und kein Jota des Beratungsgesprächs an die Öffentlichkeit kommt. Dies ist unabhängig davon, ob sich der Erfinder später für die Einreichung einer Schutzrechtsanmeldung entscheidet oder nicht.

 

Ja deswegen, weil zu einer solchen patentanwaltlichen Erstberatung in aller Regel ein Diskutieren notwendiger erster Schritte zur Absicherung einer technischen Weiterentwicklung mittels der Anmeldung eines geeigneten Schutzrecht gehört, so z. B. zur Einreichung einer Patentanmeldung oder zur Absicherung eines neuen Produktdesigns mittels einer Designanmeldung, oder zur Absicherung einer angestrebten Produktbezeichnung mittels der Anmeldung einer schützbaren Marke.

 

Wo kann eine kostenlose Erfindererstberatung in Anspruch genommen werden?

Im Bereich von Erfindungen und gewerblichen Schutzrechten erwarten Ratsuchende – wie oben bereits ausgeführt - zu Recht von ihren Beratern und Beraterinnen absolute Diskretion und vertrauen darauf, dass mit dem Ziel einer Beratung preisgegebene Informationen vertraulich behandelt und geheim gehalten werden. Zur Vermeidung von unerwünschten Offenbarungs-Leaks ist bei der Erfindererstberatung generell zu Vorsicht zu raten. Es gibt zahlreiche Anbieter, die versuchen, sich auf dem Weg über eine vermeintliche Erstberatung per Telefon oder E-Mail von Erfindern Kenntnis über deren Erfindung zu verschaffen und deren Erfindungen – häufig auch ohne den Weg über ein Schutzrecht – selbst zu vermarkten, ohne dass der Erfinder den ihm zustehenden Schutz und Nutzen hat.

Gerd Koepe LL. M., Diplom-Chemiker;

Patentanwalt; European Patent, Design and Attorney, Trademark Attorney; Patentanwaltskanzlei seit 1987; Beratung deutscher, europäischer und internationaler Mandanten aus Industrie und Forschung sowie von Einzelerfindern: Strategische Erstberatung (auch beim DPMA und bei PIZ); Ausarbeiten von Anmeldungen auf Basis der Erfinderinformationen. Vertretung der Mandanten in Verfahren vor Patent- , Design- und Markenämtern und vor  Gerichten in Verfahren Gewerblicher Schutzrechte; Umfangreiche Beratungs- und Vertretungs-Aktivitäten bei Mandanten im Inland und Ausland, insbesondere in Japan, Süd-Korea, USA, Kanada und West- und Mitteleuropa; Lehrauftrag für das Fach „Gewerblicher Rechtsschutz für Naturwissenschaftler und Techniker“ an den Universitäten Freiburg und Strassburg.

Wo Erfinder sich beraten lassen können:

Beratungsangebot

Das Deutsche Patent- und Markenamt informiert unter anderem über sein Beratungsangebot auf seiner Website unter

www.dpma.de


Die kostenlose Erfinder-Erstberatung wird vom DPMA München, Berlin, Jena bzw. vom regionalen/lokalen PIZ in Absprache mit der in der jeweiligen Region ansässigen Patent-anwaltschaft organisiert und erfordert eine verbindliche Voranmeldung für ein Beratungsgespräch bei dem jeweiligen Träger (DPMA, Universität, Industrie- & Handelskammer).



Informationsbroschüre

Informationen speziell zur Erfindererstberatung sind in der  Broschüre „Patentinformationszentren“ zu entnehmen (aktualisierte Ausgabe Mai 2022).

www.dpma.de/infomaterial/patentinformationszentren


 

Patentinformationszentren

Die über 20 deutschen Patentinformationszentren (PIZ) sind darin nach Regionen alphabetisch aufgeschlüsselt, und der Umfang der Beratung und Unterstützung der Erfinder durch die PIZ ist der Broschüre entnehmbar.

 

"Von der Idee zum Produkt"

Neben der Auflistung der in Deutschland tätigen Patentinformationszentren informiert die Broschüre auch allgemein über die Dienstleistungen der Patentinformationszentren auf dem Weg „von der Idee zum Produkt“.

 

Patentanwälte

Zugelassene deutsche Patentanwälte, von denen die meisten auch zur Vertretung vor dem Europäischen Patentamt zugelassen sind, findet man im Internet unter

www.patentanwaltsregister.de.

Eine „sichere Bank“ für eine Beratung zu Geistigem Eigentum und dieses schützende Schutzrecht ist jedenfalls, sich an das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), an die mit dem DPMA kooperierenden deutschen Patentinformationszentren (PIZ) oder an einen der in Deutschland zugelassenen Patentanwälte zu wenden, die in einer beim DPMA geführten Liste eingetragen sind. DPMA, PIZ und Patentanwälte bzw. Patentanwältinnen - für diese sogar durch das patentanwaltliche Berufsrecht gesetzlich abgesichert -  unterliegen der Verpflichtung, an sie gerichtete Anfragen und Sachverhalte vertraulich zu behandeln. Folgerichtig eröffnet eine patentanwaltliche Erfinderberatung auch keine neuheitsschädliche Publikation einer Erfindung. Erfinder werden im Rahmen dieser Beratung nicht nur zu in Deutschland Erfindungen schützenden Schutzrechten beraten, sondern auch zu Schutzrechten auf europäischer und über Europa hinaus internationaler Ebene.

 

Was empfehlen Sie nach einer kostenlosen Erstberatung?

 Eine Erstberatung informiert sachkundig über weitere und notwendige Schritte, um die Erfindung einer beratenen Person zu schützen. Später empfiehlt sich, gerade auch in komplexeren Fällen, eine professionelle und detaillierte Beratung bzw. die Einbeziehung eines Patentanwalts/einer Patentanwältin.

 

Sie sind Patentanwalt. Was beinhaltet Ihre Tätigkeit?

Als Patentanwalt übe ich einen freien, rechtsberatenden Beruf aus und unterstehe deutschen Gesetzen, die meine Anwaltstätigkeit regeln. Zu meinen Tätigkeiten gehört es, meine Mandanten in Fragen zu beraten, die technische Erfindungen und deren rechtlichen Schutz betreffen. Des Weiteren sind uns Patentanwälten und Patentanwältinnen durch das Gesetz auch Beratungstätigkeiten zugewiesen, die Kennzeichenrechte - wie Marken „Warenzeichen“ und Namen „Firmennamen“ oder „Unternehmensnamen“  - sowie Designs und auch das Urheberrecht betreffen. Vergleichbare Aufgaben wurden uns auch auf europäischer Ebene zugewiesen, wenn wir die erforderlichen europäischen Rechtskenntnisse in einer Prüfung nachgewiesen haben.

 

Ein weiteres wichtiges Tätigkeitsfeld deutscher und europäischer Patentanwälte und Patentanwältinnen ist es, die Mandanten in den einschlägigen Patent-, Marken-, Design- und anderen Schutzrechts-Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt mit Sitz in München, Berlin und Jena und vor dem Europäischen Patentamt mit Sitzen in München, Den Haag und Berlin und vor dem Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum in Alicante und vor Gerichten zu beraten und auch zu vertreten. Gerade in Verfahren, die technische Schutzrechte betreffen, schafft die technische Kompetenz der Patentanwälte und Patentanwältinnen eine Art „Waffengleichheit“ zwischen Patentämtern und Gerichten und den rechtssuchenden Mandanten, was die technischen, naturwissenschaftlichen Kenntnisse einerseits und die Rechtskenntnisse andererseits angeht.

 

Mit anderen Worten: Sie sind so eine Art Rechtsanwalt?

 Nein, das ist nicht zutreffend. Im Gegensatz zu Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen, die nach Abschluss eines vollen juristischen Universitätsstudiums mit den deutschen Staatsexamen als Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin zugelassen werden können, aber in aller Regel keine naturwissenschaftliche oder technische Ausbildung abgeschlossen haben, müssen Patentanwälte und Patentanwältinnen vor ihrer Patentanwaltszulassung erst ein volles naturwissenschaftliches bzw. technisches Studium mit einem Examen abschließen. Anschließend müssen angehende Patentanwälte und Patentanwältinnen eine mehr als zweijährige praktische Ausbildung unter Aufsicht eines praktizierenden Patentanwalts und gleichzeitig ein berufsbezogenes juristisches Studium absolvieren und mit einer Prüfung vor einer gesetzlich berufenen deutschen Prüfungskommission abschließen. Erst danach ist die Zulassung als Patentanwalt oder Patentanwältin möglich. Entsprechendes gilt auch für die europäische Ebene.

 

Das im Rahmen des naturwissenschaftlichen bzw. technischen Studiums erworbene Wissen versetzt den Patentanwalt und die Patentanwältin in die Lage, in der Mandantenberatung und vor den Patentämtern und Gerichten sowohl die technischen/naturwissenschaftlichen Aspekte als auch die juristischen Aspekte im Fokus zu behalten. Ich beispielsweise habe an einer süddeutschen Universität Chemie mit dem Studienabschluss „Diplom“ studiert. Meine juristischen Kenntnisse habe ich – parallel mit der patentanwaltlichen Tätigkeit quasi „berufsbegleitend“ – ausgebaut mit einem Masterstudium im Fach „Europäischer Gewerblicher Rechtsschutz“ an der Universität Hagen mit dem Abschluss „Master der Rechte“ (LL.M.).


*) Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

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