Mogelpackung Zeitenwende

Rüstungsindustrie

Mogelpackung „Zeitenwende“?

 

Von STEFAN LIPSKY

Kiel, 28. August 2023. Ernüchterung in der Schleswig-holsteinischen Rüstungs-Industrie bei den Erwartungen an das Sondervermögen Bundeswehr, das bislang keine nennenswerten Beschaffungsvorhaben für die Wehrtechnik-Unternehmen des Landes ausgelöst hat. Dieses Fazit zieht der Vorsitzende des Arbeitskreises Wehrtechnik Schleswig-Holstein, Dieter Hanel, aus den Ergebnissen einer Umfrage seiner Organisation. Schleswig-Holsteins Rüstungs-Unternehmen von der dänischen Grenze bis an die Elbe ist neben dem Großraum München der wichtigste Rüstungs-Schwerpunkt Deutschlands. In bestimmten Hochtechnologien nimmt die wehrtechnische Industrie im Norden weltweit Spitzenstellungen ein.

Nur noch „Heiße Luft“?

„Das ist eine große nationale Kraftanstrengung. Das Ziel ist eine leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr….Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in unsere Verteidigung investieren“, verkündete Kanzler Olaf Scholz vor eineinhalb Jahren in seiner „Zeitenwende“-Rede vor dem Deutschen Bundestag. Daraus ist für viele Unternehmen der Branche bisher nichts als heiße Luft geblieben. Dieter Hanel: „Aus der noch vor Jahresfrist ausgeprägte Zuversicht, an den zusätzlichen Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr zu partizipieren ist eine realistische, eher zurückhaltende Einschätzung geworden. Kritisiert werden die weiterhin langwierigen Beschaffungsprozesse.“ Wäre die Bundeswehr ihr einziger Kunde, würde es für viele Unternehmen längst an die Substanz gehen: „Wachstumsträger ist nach wie vor und vor allem der Export. Entsprechend intensiv sind die Aktivitäten der Unternehmen in den relevanten Auslandsmärkten“, so Hanel.

 

Erfolgsmotor Export

Die globale sicherheitspolitische Lage führt zu steigender Nachfrage nach wehrtechnischem Gerät. Das hat auch Auswirkungen auf die Wehrtechnik Unternehmen in Schleswig-Holstein (32 Unternehmen mit 7.700 Beschäftigten), die für 2023 einen positiven Geschäftsverlauf erwarten. Rüstungsexporte für zehn ausländische Streitkräfte bildeten im letzten Jahr mit 50 bis 70 Prozent des Umsatzes weiterhin eine tragende Säule der Unternehmen. Dieter Hanel: „Der Rüstungsexport ist ein Bestandteil der vitalen und strategischen Interessen Deutschlands. Sowie ein unverzichtbares Instrumentarium der Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik.“

 

Wichtiger Bestandteil der deutschen Rüstungsbasis

Deutschland hat als führendes Exportland erhebliche maritime Interessen. Die 19 im Marineschiffbau tätigen Unternehmen im nördlichsten Bundesland sind mit 5.100 Mitarbeitern ein wichtiger Bestandteil der deutschen Rüstungsbasis, insbesondere durch die beiden Kieler Werften thyssenkrupp Marine Systems und German Naval Yards. Dazu Dieter Hanel: „Von den prognostizierten neun Milliarden Euro des Sondervermögens für Beschaffungen der Marine sind nur noch wenige Vorhaben eingeplant und bisher keine bei Unternehmen in Schleswig-Holstein beauftragt worden.“

 

Investitionsniveau soll dennoch gehalten werden

Davon unabhängig wollen die Wehrtechnik-Unternehmen des Landes das schon hohe Investitionsniveau der Vorjahre halten und teilweise sogar noch zulegen. Für den Personalbereich gilt entsprechendes. Engpass ist hier der ausgeprägte Mangel an Arbeitskräften und – vor allem – an Fachkräften. „Die Wehrtechnik-Unternehmen in Schleswig-Holstein“, so der Arbeitskreis Vorsitzende, „sind gut aufgestellt und weiter auf der Erfolgsspur. Sie sind ein prägender Teil der Wirtschaftsstruktur des Landes. Wir begrüßen den positiven Imagewandel der Branche in unserer Gesellschaft.“


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