Nacht- und Nebelausverkauf

Aus dem Hamburger Rathaus

HHLA: Der Nacht- und Nebel-Ausverkauf

Von Peter Axel Haas

Es war eine Nacht- und Nebelaktion in gleich mehrfacher Hinsicht: Morgens um 7.05 Uhr schickte die eifrige Hamburger Senatspressestelle am vergangenen Mittwoch die Einladung zu einer plötzlich angesetzten Pressekonferenz heraus. Um 8.15 Uhr - keine übliche Meeting-Zeit zwischen Journalisten und Politikern - würden der Erste Bürgermeister, die Wirtschaftssenatorin und der Finanzsenator ein „wichtiges Vorhaben für den Hafen und Wirtschaftsstandort Hamburg“ vorstellen, so die kryptische Formulierung.

Was bei uneingeweihten Medienleuten große Fragezeichen aufploppen ließ und bei den wenigen vorab informierten Journalisten hektische Betriebsamkeit auslöste, war bis dahin in der Tat ein wohlgehütetes Geheimnis: Hamburg hatte seit Monaten mit der weltgrößten Reederei Mediterranean Shipping Company (MSC) Gespräche über eine Minderheitsbeteiligung an der in schwerem Wasser befindlichen Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA) geführt, nun war man sich über den 49,9 Prozent Einstieg in das städtische Unternehmen für rund 2,6 Milliarden Euro einig. Viel Geld für noch mehr Renovierungsbedarf im teilweise maroden, technisch wie beim Tonnage-Umschlag weit hinter Rotterdam und Antwerpen zurückgefallen Hamburger Hafen, ein Mega-Deal für eine bessere Hafenzukunft – so oder ähnlich jubilierten Rathausregent Peter Tschentscher sowie seine Minister Melanie Leonhard und Peter Dressel vor der Presse.

 

Seitdem allerdings ist der Jubel über die geplante Beteiligung der in Genf ansässigen MSC-Gruppe verstummt. Und das gleich aus mehreren Gründen: Zum einen gilt MSC als schillerndes Unternehmen mit ambivalentem Ruf. 1970  gründete der italienische Kapitän Gianluigi Aponte in Sorrent nahe Neapel die Gesellschaft mit einem Schiff. Bald pflügten mehrere Pötte im Dienste großer Linienreedereien durch das Mittelmeer. Aponte heiratete eine Schweizer Bankierstochter und verlegte den Firmensitz nach Genf. Die Aponte-Familie, von denen heute gleich mehrere Mitglieder im Unternehmen tätig sind, baute im Laufe der Jahre schließlich ein eigenes Liniennetz auf und wuchs bis in die Neunziger zu einer der größten Containerreedereien der Welt. Fast 800 Schiffe, ein Marktanteil von nahezu 20 Prozent unter den Handelsreedern, nebenbei noch 23 Kreuzfahrtschiffe – ein beeindruckender Branchenriese. Das schnelle Wachstum, eine geheim gehaltene Anteilseigner-Struktur und nicht veröffentlichte Gewinnmargen ließen Branchenkenner allerdings immer wieder davon raunen, dass hier schmutziges Geld im Spiel sei, womöglich aus Drogengeschäften. Und auch die Sicherheits- und Sauberkeitsstandards der Reederei kamen ins Gerede: Die MSC Zoe verlor 2019 in der Nordsee bei schwerem Seegang fast 300 Container, der Kreuzfahrtriese MSC Seaside fiel vor wenigen Monaten beim Hygienetest der US-Gesundheitsbehörden krachend durch.

 

Zum anderen aber hinterlässt der Senats-Deal mit den Apontes gleich reihenweise brüskierte Akteure im und um den Hamburger Hafen: Da ist zu allererst Klaus-Michel Kühne, der zuletzt öffentlich eine Mehrheitsbeteiligung an der HHLA angeboten hatte. Der umtriebige Milliardär mit Hamburger Wurzeln und Sitz in der Schweiz besitzt nicht nur den Logistik-Riesen Kühne + Nagel mit angeschlossener Hochschule und nebenbei noch Luxushotels, darunter das Fontenay an der Außenalter. Er hält auch Minderheitsbeteiligungen an der Hapag-Lloyd AG, der Lufthansa AG, der Brenntag SE sowie der HSV Fußball AG. Eigentlich also der ideale Partner, auch um den Niedergang des Hafens und der HHLA zu stoppen. Rot-Grün jedoch lässt streuen, dass der als äußerst selbstbewusst bekannte Investor nur bereit gewesen sei, über eine 50 Prozent-Plus-X Mehrheitsbeteiligung an der HHLA zu verhandeln. Kühne wiederum sagt jetzt, er wolle ein Gebot auch für die 49,9 Prozent abgeben. Was stimmt, bleibt erst Mal unklar. Im Gegensatz zur überdeutlich demonstrierten Abneigung rot-grüner Spitzenleute gegenüber Kühne, der per Tweet oder FB-Post regelmäßig abgewatscht wird. Er mische sich mit seinen Vorstößen bis hin zu einem von ihm mitfanzierten Neubau der Hamburger Oper ohnehin viel zu sehr in das Stadtgeschehen ein, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Also lieber italienische Milliardäre mit ambivalentem Ruf statt ein Hamburger Milliardär mit Engagement für die ganze Stadt? Merkwürdige Logik. Und schon gar keine Strategie für den stark schwächelnden Hamburger Hafen.


Die unter Kühnes Einfluss stehende Hamburger Hausreederei Hapag Lloyd erwägt nun einen Abzug erheblicher Ladung aus Hamburg. Brüskiert fühlt sich auch Thomas Eckelmann Mehrheitseigentümer des großen HHLA-Konkurrenten Eurokai. Er sieht den MSC-Deal als „Katastrophe“ für den Hafen, selbst wenn sein Umschlagkonzern von vergrätzten ehemaligen HHLA-Kunden profitieren könnte. Entrüstet gab sich auch die Gewerkschaft Verdi, deren Hafenarbeiter sich mangels Einbeziehung „wie im Casino“ fühlten. Auch Bremens Wirtschafts- und Hafensenatorin Kristina Vogt (Linke) zeigte sich so skeptisch wie überrascht. Am Rande der 13. Nationalen Maritimen Konferenz an der Weser verwies sie überdies auf das Grundproblem, das alle deutschen Häfen teilen und das letztlich auch hinter dem HHLA-Notverkauf durch Rot-Grün in Hamburg steckt: Die nicht vorhandene „Zeitenwende“ bei der Finanzierung der Seehäfen, die Mini-Unterstützung durch den Bund von gerade 38 Millionen statt nötiger 400 Millionen für deren Erhalt und Ausbau. Weder Bundeskanzler Olaf Scholz noch Wirtschaftsminister Robert Habeck ließen sich dazu in Bremen konkret ein. Unklar, ob und wann da nachgesteuert wird. Klar allerdings, dass dann Nacht- und Nebel-Ausverkäufe wesentlicher Hafenstrukturen an fremdländische Investoren ambivalenter Herkunft nicht nur in Hamburg Schule machen könnten.

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