Patent- und Schutzrechte: "Patente bilden einen gigantischen Informationsschatz."

Patent- und Schutzrechte: "Patente bilden einen gigantischen Informationsschatz."

Interview mit Steffi Jann vom Patent- und Markenzentrum der WTSH in Kiel und Jochen Halfmann vom Innovations- und Patent-Centrum der Handelskammer Hamburg.

Von: Katharina Keienburg von der Innovations Kontakt Stelle (IKS) Hamburg *)

Hamburg/Kiel, 12. Dezember 2023. Schutzrechte wie Patente, Gebrauchsmuster, Designs und Marken werden in der Innovationsstrategie von Unternehmen unterschiedlich genutzt. Katharina Keienburg von der Innovations Kontakt Stelle (IKS) Hamburg fragt die Expert:innen Steffi Jann vom Patent- und Markenzentrum der WTSH in Kiel und Jochen Halfmann vom Innovations- und Patent-Centrum der Handelskammer Hamburg, worauf Unternehmen achten sollten.


In unserer Arbeit bei der IKS Hamburg erfahren wir tagtäglich, wie unterschiedlich Unternehmen in ihren Innovationsprozessen mit Schutzrechten, insbesondere Patenten, umgehen. Gibt es hier eine Art „goldene Regel“, wie Patente genutzt werden sollten?


Steffi Jann: "Ein „one fits all“ gibt es sicher nicht, aber man muss wissen, dass Schutzrechte die einzige Möglichkeit sind, zu verhindern, dass Erfindungen ungestraft kopiert werden können. Es gibt nämlich den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit, demzufolge alles, was nicht geschützt ist, jedermann frei zur Verfügung steht."


Jochen Halfmann: "Diese Freiheit ist auch ziemlich nützlich für jeden Gewerbetreibenden, weil so ständig neue Geschäftsideen möglich sind. Abgelaufene Patente sind frei nutzbar; häufig eine gute Basis für eigene Weiterentwicklungen."

Steffi Jann ist Teamleiterin des Patent- und Markenzentrums der WTSH GmbH in Kiel. Gemeinsam mit ihren Kollegen berät sie KMU zum Nutzen gewerblicher Schutzrechte, unterstützt bei der Entwicklung von Schutzrechtsstrategien und führt Recherchen in internationalen Datenbanken durch. www.wtsh.de/schutzrechte


Jochen Halfmann ist Referent im Innovations- und Patent-Centrum der Handelskammer Hamburg. Er berät dort Unternehmen und Gründer zu Patenten, Marken und Designs, zur Schutzrechtsstrategie, zu Recherchen und Fördermöglichkeiten bei Schutzrechten. www.hk24.de/ipc

Steffi Jann: "Patente bilden ohnehin einen gigantischen Informationsschatz, weil alle darin beschriebenen technischen Lösungen öffentlich zugänglich sind. Bei anstehenden Neuentwicklungen ist deshalb eine Recherche zum Stand der Technik sinnvoll, man kann aber auch kontinuierlich überwachen, welche Entwicklungen es im eigenen technischen Bereich gibt und was die Wettbewerber machen."


Also haben Patente nicht nur eine Schutz-, sondern auch eine Informationsfunktion. Was ist denn dann von dem manchmal ins Feld geführte Argument, dass Patente eher hinderlich sind, zu halten?


Jochen Halfmann: "Mit Schutzrechten auf Erfindungen fällt es Unternehmen leichter, in Innovation zu investieren. Durch die Monopolwirkung von Schutzrechten werden Innovationen angespornt, weil sich die Anstrengungen dadurch lohnen. Herstellung und Vertrieb der Erfindungen bleiben so auf den wichtigen Märkten in der eigenen Hand. Wettbewerber, die ähnlich gute Angebote realisieren wollen - und auch müssen, wenn sie am Markt teilhaben wollen - können durch beständige Innovation und entsprechende Schutzrechte auf Abstand gehalten werden. Stellen Sie sich vor, die beiden norddeutschen Weltmarktführer Jungheinrich und Still würden sich nicht um die Sicherung ihrer neuesten Entwicklungen bei Gabelstaplern, Logistik- und KI-Innovationen kümmern. Ob es die beiden dann wohl noch lange gäbe?


Steffi Jann: "Schutzrechte treiben damit auch den Fortschritt, weil Unternehmen, wenn sie bestehende Patente nicht verletzen wollen, Umgehungslösungen finden müssen. Oder sie nehmen Lizenzen – was durchaus vorteilhaft sein kann, um auch ohne eigene Entwicklungsanstrengungen im Geschäft zu bleiben."


Kann man Erfindungen nicht auch geheimhalten?


Jochen Halfmann: "Durch Geheimhaltung lässt sich eine Nachahmung nicht so einfach und nur in bestimmten Fällen verhindern. Denken Sie an die Flexibilität der Mitarbeiter in Zeiten des Fachkräftemangels, und die Anforderungen aus dem Geschäftsgeheimnisschutzgesetz sind auch nicht ohne. Übrigens sind für die o.g. Unternehmen auch die Design- und Markenschutzrechte von enormer Bedeutung. Durch ansprechende Produktgestaltung und einprägsame Namen und Logos entsteht ein schützbarer Wiedererkennungswert für eine wirksame Kundenbindung."


Vielen, gerade kleineren und mittleren Unternehmen, erscheinen Schutzrechte sehr aufwendig und vor allem auch teuer. Was kann man denen raten?


Steffi Jann: "Es stimmt, dass Schutzrechte nicht gerade einfacher Natur sind, aber wenn man strukturiert vorgeht und die nötigen Aktionen an die richtigen Stellen im Innovationsprozess andockt, gibt es für innovative Unternehmen sehr viel zu gewinnen. Und letztlich sind nur durch gut ausgearbeitete Schutzrechte Ansprüche gegen Verletzer durchsetzbar, insb. auf Unterlassung oder Schadensersatz. Daher sind Schutzrechte dort am wichtigsten, wo der Wert des eigenen Geschäftes besonders hoch ist. Die eigene Schutzrechtsstrategie in diesem Umfeld unter Kosten- und Nutzenaspekten zu optimieren, ist die Herausforderung und die „Goldene Regel“.


Herzlichen Dank für das Gespräch und die vielen hilfreichen Erläuterungen und wertvollen Hinweise!


*)Das Interview führte Katharina Keienburg, Wissens- und Technologietransfer-Beraterin bei der Innovations Kontakt Stelle (IKS) Hamburg. Die IKS Hamburg unterstützt im Auftrag der Stadt Hamburg und der Handelskammer Hamburg Unternehmen u.a. bei der Suche nach passenden wissenschaftlichen Partnern für Kooperationsprojekte und der Vernetzung ins Hamburger Innovationsökosystem.
 


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