Bürgerschaftswahl Hamburg
Grüne Panik im Schlussspurt
Von: Peter Axel Haas
Hamburg, 27. Februar 2025. Der Wind hat sich wenige Tage vor der Hamburgischen Bürgerschaftswahl gedreht: Nicht nur die SPD, auch die Grünen müssen am kommenden Sonntag an Alster und Elbe mit massiven Stimmenverlusten rechnen. Vor allem in der Öko-Partei macht sich Panik breit.
Das Berliner Bundestagswahlergebnis würde sich eine Woche später auch in Hamburg auswirken, da waren sich alle Beobachter einig. Diese Wendung allerdings hatte kaum jemand erwartet: Der massive Abstrom enttäuschter Grünen-(Jung-)Wähler hin zu den Linken dürfte sich in der Hansestadt noch verstärken. Bundesweit machten am letzten Sonntag mehr als 700.000 vormalige Öko-Parteigänger ihr Kreuz bei den Linkssozialisten, die Grünen sackten um drei Prozent ab, die Linke steigerte sich auf 8,8 Prozent. In der Elbmetropole stimmten nur noch knapp 23 Prozent für SPD-Bundestagskandidaten, ein Minus von fast sieben Prozent. Die Grünen verloren fast sechs Zähler und landeten bei gut 19 Prozent, die CDU zog mit deutlich über 20 Prozent dank eines Plus von mehr als fünf Zählern an Ihnen vorbei, die Linke verdoppelte sich auf fast 14einhalb Prozent.

So ähnlich wie zur Wahl der Hamburger Abgeordneten für Berlin dürften die Endergebnisse für CDU, Grüne und Linke auch am Bürgerschaftswahlabend aussehen, orakeln Last-Minute-Wahlforscher. Die Grünen könnten nicht nur hinter die Union, sondern sogar nahe an die 15 Prozent rutschen, gerade noch vor der Linken, heißt es. Der Mitte-Kuschelkurs der Ökos und die Festlegung auf eine Fortsetzung des rot-grünen Bündnisses würden auch an der Elbe das Milieu der besonders klimabewegten Friedensfreunde und Antifaschisten Richtung Linke treiben, die Erinnerung an die alte stalinistische Mauerschützen-Nachfolgepartei aus den neunziger Jahren sei dort insbesondere unter jüngeren Wählern ohnehin nicht da. Und wer es etwas trendig-europäischer mit grüner Note wolle, würde womöglich zu Volt wechseln, die bei den Bezirkswahlen des letzten Sommers immerhin fast vier Prozent erstritten.
Für die allseits beliebte, nach zehn Jahren als zweite Bürgermeisterin aber inhaltlich immer noch wenig profilierte Katarina Fegebank wäre das ein Katastrophe. Statt über ihren erhofften Aufstieg zur Ersten Bürgermeisterin würde die Stadt wohl über ihre politische Zukunft diskutieren, über die der drei anderen grünen Senatoren sowieso: SPD-Regierungschef Peter Tschentscher hat schon durchblicken lassen, dass ein derart schwaches grünes Wahlergebnis die Ökos mindestens ein Senatsamt kosten dürfte. Auch könnte der Erste Bürgermeister entgegen seinen öffentlichen Bekundungen mindestens intern mit einem Koalitionswechsel hin zur CDU drohen, was die Öko-Partei politisch erpressbar machen würde. Manche führende Hamburger Sozialdemokraten denken hinter verschlossenen Türen sowieso über eine Kurskorrektur nach, aus gleich zwei Gründen: Mit einer bestimmt handzahmeren CDU könnte Hamburgs SPD eine engagiertere Industrie-, Hafen- und Wirtschaftspolitik machen, was angesichts der ökonomischen Krise des Landes und der Stadt überfällig ist. Und nachdem die Sozialdemokratie in Berlin nun zur Rolle des Juniorpartners der Union verdammt scheint, hätten die Genossen in Hamburg Gelegenheit, das Gegenteil vorzuführen.
Abseits solcher politischen Rachegelüste könnte es für Rot-Grün allerdings noch schlimmer kommen: Wenn die Elb-SPD sich nicht über 30 Prozent halten sollte (bei der letzten Bürgerschaftswahl erreichte sie noch starke 39,2) und die Grünen um die 15 lägen, wäre die rot-grüne Mehrheit womöglich futsch: Nur mit einer um die 20 Prozent rangierenden Union gäbe es dann noch einen SPD-Bürgermeister, Linke mit um die 13 und AfD mit um die 11 bildeten den Rest. Optimisten um den engagierten Unions-Spitzenkandidaten Dennis Thering streuen diese aus ihrer Sicht hoffnungsvolle Variante jetzt allerorten. Und setzen gemeinsam mit der zur CDU auf Listenplatz zwei gewechselten Ex-FDP-Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels-Frowein noch einen drauf: Angesichts der bei drei Prozent fest getackerten Umfragen für die Elbliberalen sei jede Stimme für die FDP verloren, wer den Wechsel hin zu einer bürgerlicheren Senatspolitik wolle, müsse CDU wählen. Wie auch immer die Argumentationsketten verfangen, zur Panik in der Wahlkabine besteht kein Anlass, nur die eine alte Erkenntnis feiert Wiederauferstehung: Jede Stimme zählt.
Peter Axel Haas