Hamburgs Hochrisiko-Deal

Hamburgs Hochrisiko-Deal

Wird das Herz der Hamburger Wirtschaft, der über 800 Jahre alte Hafen, leichtfertig verschleudert? Eine Betrachtung von Peter Axel Haas.

Hamburg, 27. Februar 2024. Wenn Peter Tschentscher an diesem Mittwoch in der Hamburgischen Bürgerschaft eine seiner seltenen Regierungserklärungen abgibt, dann wird er voraussichtlich sich, seine Wirtschaftssenatorin und seinen Finanzsenator loben - wenn auch hanseatisch-trocken, wie es des Ersten Bürgermeisters Art ist. Für den Weitblick, mit dem der 49,9-prozentige Teil-Verkauf der staatlichen HHLA-Holding von den Genossen durchgezogen worden ist. Für die 230 Millionen, die die Stadt erhalte und nun für die Ertüchtigung der - weithin runtergekommenen - Hafeninfrastruktur verwenden will. Und für die „strategische Zukunftssicherung“, die dem schwächelnden Port derart zukomme.

Wer genauer hinschaut, wird feststellen: So einfach ist es nicht. Das fängt schon mit der Verantwortung für das deutliche Zurückfallen des Hamburger Hafens hinter die ewigen Konkurrenten Rotterdam und Antwerpen an. Während Niederländer und Belgier in den letzten Jahren kräftig in neuen Kaikanten und moderne Infrastruktur investiert haben, ist in Hamburg in den letzten zwei Jahrzehnten kaum etwas passiert. Stattdessen hat die seit 2011 mal mit und ohne Grüne regierende SPD die Hafengebühren weit über die die Preise der Konkurrenten steigen lassen, die Verkehrswege im und um den Hafen sind stark verkommen und der HHLA wurden eine Reihe von Fehlinvestitionen erlaubt, die sie jetzt in eine schwierige Lage gebracht haben.


Der angebliche Befreiungsschlag für die Hafenzukunft, eher ein Notverkauf, um zu retten was zu retten ist? Vieles spricht dafür. Schon die Geheimverhandlungen des Senats mit der Genfer MSC-Holding der neapolitanischen Familie Aponte, ohne breite Markterkundung und Einbeziehung relevanter Hafenplayer wie der Hamburger Hausreederei Hapag Lloyd sind mehr als nur ein Indiz dafür. Auch der Kaufpreis, begründet auf dem Börsenkurs mit standardmäßigem Aufschlag aber ohne Einbeziehung des Werts der HHLA-Eisenbahntochter Metrans sei viel zu niedrig, kritisieren Experten wie der frühere Wirtschaftsstaatsrat und ehemalige Hafenverbandspräsident Gunther Bonz.


Auch das mit MSC vereinbarte Plus von einer Millionen zusätzlichen TEU-Containerumschlag bis 2030 sei völlig unrealistisch, mahnen Insider. Außerdem kündigen Konkurrenten wie Hapag Lloyd an, Tonnage aus Hamburg abzuziehen. Und in den Verträgen gäbe es mannigfache Ausnahmeklauseln, die es MSC erlauben würden, das Millionen-Ziel zu verfehlen. Für den Fall des Ausstiegs der Familie Aponte aus dem angeblich so tollen Deal, würde eine für Hamburg unvorteilhafte, gemeinschaftliche Gutachterbeauftragung zur Preisermittlung für den Rückkauf greifen. Wie ein Senat dann das mit Sicherheit Mehrfache des jetzt vereinbarten Kaufpreises, also viele hundert Millionen, aufbringen wolle, um die HHLA zurückzuerhalten, sei völlig unklar.


Und dann ist da noch die Frage nach einer rechtssicheren Regelung, die dem völligen Verlust der Kontrolle über die verkaufte knappe HHLA-Hälfte vorbeugt: Was passiert, wenn der 83jährige Gianluigi Aponte und sein Clan sich eines Tages von ihrem Imperium trennen und es inklusive der Hamburger Hafenanteile an den Meistbietenden verkaufen? Etwa an Tollerort-frustrierte Chinesen, an schwerreiche Scheichs oder - noch schlimmer - an die Russen? Die Change-of-Control-Klauseln in dem Vertragswerk sollen schwach und vage sein, berichten Oppositionspolitiker, die Einblick in das Regelwerk nehmen konnten.


Peter Tschentscher, seine Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel werden alle diese Risiken leugnen. Oder sich hinter den Geheimhaltungsklauseln des Vertragswerks zwischen der Hansestadt und MSC verstecken. Die Hamburger Bürger aber werden sich fragen: Wird das Herz der Hamburger Wirtschaft, der über 800 Jahre alte Hafen, hier leichtfertig verschleudert? Spätestens in 40 Jahren, wenn die Verträge auslaufen, werden sie es wissen. 


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