Zum Einsatz durch die Unternehmen kommen in
Hamburg bisher überwiegend Tests, die die Mitarbeiter selbst durchführen. 82 Prozent der Tests sind solche Selbsttests in Eigenverantwortung, ein Drittel (35 Prozent) sind Schnelltests durch geschultes Personal, 12 Prozent sind PCR-Tests mit Laborauswertung; manche Betriebe bieten auch mehrere Testarten an. Der ganz überwiegende Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darf diese Tests ganz (59 Prozent) oder teilweise (26 Prozent) während der Arbeitszeit durchführen, die Kosten durch die in dieser Zeit entfallende Arbeitsleistung tragen die Unternehmen. Als größte Probleme nennen die Hamburger Betriebe neben der mangelnden Verfügbarkeit von Tests und den hohen Kosten insbesondere Zeit- und Organisationsprobleme (37 Prozent), fehlendes geschultes Personal für Schnelltests oder PCR-Tests (31 Prozent) und die Anforderungen an Dokumentation und Datenschutz.
Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen stehen hier vor enormen Herausforderungen, berichtet
Julian Bonato, Vorstandsvorsitzender des tariffreien Verbandes AGV NORD. In einem Drittel der Betriebe willigten zudem die Mitarbeiter nicht in einen Corona-Test ein. „Die Firmen zu Test-Angeboten zwingen zu wollen, welche die Mitarbeiter aber nicht annehmen müssen, ist hanebüchen“, rügt Bonato. „Die Arbeitgeber sind gerne bereit, die Gesellschaft bei der Bekämpfung der Pandemie intensiv zu unterstützen. Wichtig wäre dafür aber neben der staatlichen Kostenübernahme, dass die Ministerien und Behörden den Unternehmen durch einfache, unbürokratische und klare Regeln für die Durchführung der Tests helfen. Stattdessen erleben wir mangelhafte Planung und alarmistische Vorgaben statt vorausschauenden Denkens. Es liegt nicht an der Wirtschaft, wenn es nicht geht“, resümiert Bonato, der Geschäftsführer der MHG Heiztechnik in Buchholz ist. Eine mögliche gesetzliche Verpflichtung für Betriebe, ihren Beschäftigten zwei Corona-Tests pro Woche anbieten zu müssen, lehnen die Hamburger Arbeitgeber klar ab. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) halten dies für schlecht oder nicht umsetzbar, für ein gutes Drittel (39 Prozent) wäre dies notfalls „akzeptabel“ und nur sechs Prozent halten ein Pflicht-Test-Angebot für gut.
Das hohe Engagement der Firmen und die Fürsorge für ihre Mitarbeiter zeigen sich nicht nur bei den Tests, sondern auch mit Blick auf spätere Impfungen. So wollen 55 Prozent der befragten Hamburger Unternehmen ihren Beschäftigten betriebliche Corona-Impfungen anbieten, weitere 27 Prozent überlegen dies zu tun – Verfügbarkeit der Impfungen vorausgesetzt. Fickinger: „Selbst an dieser originären Aufgabe der Krankenkassen würden sich die Arbeitgeber in großem Umfang beteiligen, auch um das Gesundheitssystem bei der Eindämmung der Pandemie zu unterstützen. Es muss dann aber auch selbstverständlich sein, dass die Krankenkassen die Kosten dafür übernehmen, schließlich macht es keinen Unterschied, wo jemand geimpft wird - Hauptsache, es wird endlich geimpft!“
Kritik kommt auch von
UVNord-Präsident Uli Wachholtz: „Der heutigen Kabinettsbeschluss konterkariert alle starken und freiwilligen Bemühungen der Unternehmen der letzten Wochen. In der norddeutschen Wirtschaft herrscht große Enttäuschung, auch über die schon fast gewohnt nicht bis zu Ende gedachten neuen Vorschriften. Völlig ungeklärt bleibt, wie Arbeitgeber gegenüber Beschäftigten das Testangebot durchsetzen können. Die beschlossene gesetzliche Verpflichtung für Arbeitgeber wird zu einer weiteren Bürokratielast und ist darüber hinaus für viele unter der Pandemie leidenden Betriebe eine große finanzielle Herausforderung. Dass hier erneut versucht wird, politische Versäumnisse auf dem Rücken der Arbeitsplätze abzuladen, ist wohl auch dem Wahlkampf geschuldet. Offenbar wurde die Wirtschaft mindestens zwei Wochen lang von der Politik vorgeführt!“
Auch Björn Ipsen, Hauptgeschäftsführer der IHK Schleswig-Holstein zeigt sich enttäuscht: „Unseren Unternehmen liegt die Gesundheit ihrer Beschäftigten sehr am Herzen – nicht zuletzt im Eigeninteresse, den Betrieb am Laufen zu halten. Daher haben alle Branchen anspruchsvolle Hygienekonzepte entwickelt und in wenigen Wochen ein umfangreiches Angebot von Corona-Tests aufgebaut. Gleichzeitig zeigen Studien wie die des Robert Koch-Instituts, dass die häufigsten Infektionsquellen ungeschützte Kontakte sind und überwiegend im privaten Umfeld auftreten.
Der Beschluss für eine Testpflicht trifft daher vor allem diejenigen, die sich ohnehin ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen. Leider stellt die Pflicht auch das politische Misstrauen in das unternehmerische Verantwortungsbewusstsein unter Beweis."
Die Wirtschaftskammern des Landes in Neubrandenburg, Rostock und Schwerin sowie die beiden Handwerkskammern in Rostock und Schwerin äußern ebenfalls ihr Unverständnis gegenüber der heute im Bundeskabinett verabschiedeten modifizierten Arbeitsschutzverordnung.
Matthias Belke, geschäftsführender Präsident der Industrie- und Handelskammern in Mecklenburg-Vorpommern: „Wer die Testpflicht in den Unternehmen verordnet, der muss auch bereit sein, dafür die Kosten zu tragen. Die im Vorfeld der Beschlussfassung von einzelnen Bundespolitikern geäußerte Unterstellung, wonach sich die Wirtschaft bislang kaum an den Kosten für die Pandemiebekämpfung beteiligt hätte, ist ein Schlag ins Gesicht all der Unternehmen, die gerade massiv unter Schließungen oder Beschränkungen leiden. Alle Unternehmen haben in den vergangenen dreizehn Monaten große Anstrengungen unternommen, ihre Beschäftigten und Kunden durch umfassende Hygienekonzepte, Homeoffice-Lösungen, Maskenpflicht und Abstandsgebote zu schützen, und tragen damit wesentlich zur Eindämmung der Pandemie bei. Auch die Einführung flexibler Arbeitszeitregelungen oder Lösungen für die Kinderbetreuung sind durch die Wirtschaft erfolgt. Diese Maßnahmen zeigen das hohe Verantwortungsbewusstsein unserer Unternehmen und sind natürlich auch immer mit Kosten verbunden. Zudem haben innerhalb von kürzester Zeit weit über die Hälfte der Betriebe freiwillig ihren Beschäftigten Tests angeboten. Es ist daher enttäuschend, dass die Bundesregierung nicht weiter auf dieses freiwillige Engagement setzt.“
Der
Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern in Mecklenburg-Vorpommern, Axel Hochschild, weist in diesem Zusammenhang darauf hin: „Der Versuch, die Verantwortung und die Kosten der Pandemiebekämpfung jetzt durch den Bund auf die Wirtschaft zu verlagern, ist ein falsches Signal. Die Beschaffung von ausreichenden
Mengen an Impfstoffen, Masken und Tests sollte im Mittelpunkt der Anstrengungen des Bundes stehen. Vor allem aber brauchen die Unternehmen echte Perspektiven. Wir fordern deshalb konsequente Maßnahmen und geeignete Konzepte, die den Menschen wieder Mut und Unternehmen Planungssicherheit vermitteln.“
Red.NW