Jahrensendrallye

Jahresendrallye

Von: Peter Axel Haas


Hamburg, 19. Dezember 2023. Wenn an diesem Mittwoch Hamburgs Bürgerschaft zum letzten Mal in diesem Jahr zusammenkommt, dürfte erwartbares geschehen: Die CDU wird in der von Ihr angemeldeten Aktuellen Stunde zum Ampel-Haushaltsdesaster Senat und Bundesregierung scharf attackieren. Rot-Grün dürfte sich in unterschiedlicher Tonalität rechtfertigen – die SPD mit aggressiver Verteidigung des Sozialstaats, die Grünen verhaltener, weil schuldbewußter, und mit moralisch unterfüttertem Verweis auf die unabdingbare Klimawende. Und die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein wird den Spagat versuchen zwischen Mindestsolidarität mit den Berliner Parteifreunden und notwendiger Absetzung von der Minder-Performance der Ampel.

Doch abseits aller Vorhersehbarkeit hat sich im zu Ende gehenden Jahr etwas Grundlegendes verändert im prunkvollen Plenarsaal des Hamburger Rathauses: Rot-Grün hat unter Bürgermeister PeterTschentscher trotz einer satten Zwei-Drittel-Mehrheit die bräsige Selbstgerechtigkeit verloren, mit der bis Ende letzten Jahres vor sich hin regiert und debattiert wurde. Das liegt nicht nur am Auslaufen der von Verordnungen und Parlamentsmissachtung geprägten Corona-Zeit. Das liegt an drastischen Misserfolgen, die die rot-grüne Hamburger Politik in 2023 eingefahren hat - und an einer erstarkten Opposition.


Die Liste der Minuspunkte in der Senatsbilanz ist lang. Mit dem weiter hochumstrittenen Einstieg der Großreederei MSC in die angeschlagene HHLA fängt es an: Selbst wenn es auf lange Sicht derart endlich wieder massive Investitionen in die arg vernachlässigte Hafen-Infrastruktur geben sollte, bleibt doch die Erkenntnis, dass sich der Niedergang des „Herzens der Hamburger Wirtschaft“ seit der Übernahme des Bürgermeisteramts durch Sozialdemokraten im Jahr 2011 drastisch beschleunigt hat. Überdies sind die Aussichten für den Hafen bestenfalls mittelprächtig: Es droht weitere Tonnage-Abwanderung durch die Abwendung anderer Reedereien von Hamburg.


Nicht minder mau ist die Senatsbilanz bei der sogenannten Mobilitätswende: Die Attraktivität des ÖPNV hat sich abseits des günstigen Deutschlandticket kaum gesteigert, die Fertigstellung neuer U- und S-Bahnlinien dauert noch Jahre und wird sich absehbar erheblich verteuern. Derweil sind in diesem Jahr wieder fast 800 Parkplätze in der Stadt vernichtet worden, im kommenden sollen es rund 1000 sein. Die City wie die Stadtteilzentren leiden schwer unter der kaum verhüllten Anti-Autofahrerpolitik, mit massenhaft verkleinerten Fahrstraßen, rücksichtslos unkoordinierten Baustellen und einem unflexiblen Anwohnerparken, das am Ende Mobilität erschwert statt erleichtert.


Die innere Sicherheit verfällt in Hamburg, von Mord und Totschlag über Körperverletzung bis zu Wohnungseinbrüchen steigen die Deliktzahlen. Der Hauptbahnhof gilt trotz Waffenverbots und gesteigerter Polizeipräsenz als Deutschlands gefährlichste Haltestelle. Rot-Grün macht trotzdem keine Anstalten, das nahegelegene Drob Inn zu verlegen, um der Drogenkriminalität Herr zu werden. Auch im wachsenden Clan- und Islamisten-Milieu gelingen offenbar kaum Fahndungserfolge.


Und selbst im lange ruhiggestellten Bereich der Bildungspolitik rumort es: Die PISA-Ergebnisse zeigen auch in Hamburg, wie massenhafte Zuwanderung ohne funktionierende Integration und verpflichtende Vermittlung der deutschen Sprache nicht funktioniert.  Immer mehr unzufriedene Eltern  deutscher Herkunft sehen den Bildungserfolg ihrer Kinder gefährdet, was sich auch im anlaufenden Volksbegehren für eine Wiedereinführung des neunjährigen Abiturs an den Gymnasien zeigt. Sollte die SPD ihren Widerstand dagegen nicht aufgeben, könnte ihr auch das während des Bürgerschaftswahlkampfes in einem guten Jahr auf die Füße fallen. 


Dafür könnte auch eine immer besser aufgestellte Opposition sorgen: CDU-Frontmann Dennis Thering gewann in den letzten zwölf Monaten stark an Profil, mit knackigeren Auftritten und klug gesetzten Themenschwerpunkten. Auch die zweite Reihe der Union trat mehr hervor, vor allem der umtriebige Wirtschaftssprecher Götz Wiese. Und selbst die faktische FDP-Einzelkämpferin Treuenfels (vom zweiten FDP-Abgeordneten Musa hört man so wenig wie von der Landespartei) konnte punkten, mit unermüdlichem Engagement in fast allen Politikfeldern. Wenn das 2024 so weitergeht, dürfte die Jahresendrallye in zwölf Monaten spannend werden: Ende Februar 2025 finden voraussichtlich die nächsten Bürgerschaftswahlen statt. Das es beim derzeitigen Trend dann noch mal für Rot-Grün reicht, scheint alles andere als ausgemacht.   

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