Tariftreuegesetz sorgt für Streit – Wirtschaft kritisiert „bürokratischen Tiefschlag“
Bundesarbeitsministerin Bas will öffentliche Aufträge an Tarifbindung knüpfen. Arbeitgeberverbände und Wirtschaftsvertreter warnen vor mehr Bürokratie, Rechtsrisiken und Belastungen für KMU.
Berlin/Hamburg, 23. Juli 2025. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat den Referentenentwurf für ein bundesweites Tariftreuegesetz vorgelegt – und damit eine hitzige Debatte ausgelöst. Künftig sollen öffentliche Aufträge ab einem Wert von 50.000 Euro nur noch an Unternehmen vergeben werden, die tarifliche Mindeststandards einhalten. Die Einhaltung soll von einer neuen Prüfstelle kontrolliert werden. Ziel der Regierung: mehr Tarifbindung und faire Arbeitsbedingungen.
Doch aus der Wirtschaft kommt massive Kritik. „Mit diesem Tiefschlag hebelt die Bundesregierung ihre eigene Wachstumsinitiative aus und bringt den Turbo zum Stottern“, kommentiert Julian Bonato, Vorsitzender des Allgemeinen Verbandes der Wirtschaft Norddeutschland (AGV NORD). Er wirft der Bundesregierung vor, die im Grundgesetz geschützte negative Koalitionsfreiheit zu verletzen und „populistisches Verächtlichmachen“ von Arbeitgebern ohne Flächentarifbindung zu betreiben. Zudem kritisiert er die Schaffung zusätzlicher Prüf- und Kontrollbehörden: „Wenn wir eine echte Wirtschaftswende erreichen wollen, muss das aufhören.“ Bonato fordert, dass die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) den Entwurf im Kabinett stoppt.
Auch UVNord-Präsident Dr. Philipp Murmann warnt vor den Folgen: „Ein bürokratisches Gesetz zur Unzeit. Die Koalition hatte mehr Entlastungen für die Wirtschaft angekündigt, das Gegenteil ist der Fall. Der bisherige völlig misslungene Vorschlag der Ampelkoalition wurde zwar etwas verschlankt, beinhaltet aber immer noch deutlich zu viel Bürokratie. Die Verabschiedung dieses Gesetzes wäre eine erhebliche Belastung für die deutsche Wirtschaft und würde die ohnehin schon komplexe Vergabepraxis weiter verkomplizieren und für den Staat weiter verteuern.
Mit dem Tariftreuegesetzes ist eine höhere Tarifbindung ist ein hehres Ziel, der Weg aber falsch. Die im Grundgesetz verankerte negative Koalitionsfreiheit wird durch das Gesetz in unzulässiger Weise eingeschränkt. Nach Einschätzung namhafter Experten ist ein solcher Entwurf außerdem verfassungs- und unionsrechtswidrig.
Eine Stärkung der Tarifbindung kann nur durch Freiwilligkeit und praxistaugliche und vor allem wettbewerbsfähige Tarifverträge erreicht werden. Nur das muss sich die schwarz-rote Koalition auf die Fahnen schreiben. Ansonsten werden Insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen, das Rückgrat der norddeutschen Wirtschaft, wegen der komplizierten Vergabeverfahren von einer Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen abgeschreckt. Die bisherigen Erfahrungen mit Tariftreuegesetzen auf Landesebene haben es in den letzen Jahren deutlich aufgezeigt. Wer die Fesseln für die Wirtschaft lösen will, darf nicht mit solchen Gesetzesentwürfen um die Ecke kommen!“
Während SPD und Gewerkschaften den Entwurf als wichtigen Schritt gegen Lohndumping begrüßen, lehnen Arbeitgeberverbände ihn als bürokratisch und rechtlich problematisch ab. Eine Entscheidung des Bundestags über das Gesetz steht noch aus.
JM/NW