Wir schaffen das nicht!

Wir schaffen das nicht!

Wir schaffen das nicht!

Von: Peter Axel Haas

Hamburg. Oktober 2023. Der Hilferuf war überdeutlich und sozialdemokratisch koordiniert: „Das hält die Stadt nicht mehr lange durch“, barmten Anfang Oktober gleich drei SPD-Senatoren im ‚Hamburger Abendblatt‘ angesichts massiv gestiegener Flüchtlingszahlen. Rund 10.000 neue „Schutzsuchende“, so der städtisch verbreitete Euphemismus, strömten allein zwischen Januar und September in die Hansestadt. Rund 35.000 Ukrainer kamen bereits seit Ausbruch des russischen Angriffskrieges an die Elbe. Die öffentlichen Unterbringen sind inklusive umgewidmeter Messehallen überfüllt, trotz bevorstehenden Wintereinbruchs werden wieder Zelte aufgebaut. „Die Zahlen müssen runter, die illegale Migration ist zu hoch“, so SPD-Innensenator Andy Grote in ungewohnter Klarheit.

Die hanseatische SPD-Klartext-Wende, weg vom jahrelang gepredigten Refugees-Welcome-Credo, kam wenige Tage vor der krachenden Niederlage der Ampel im Allgemeinen und der Sozialdemokraten im Besonderen in Hessen und Bayern. Mittlerweile redet selbst Bundeskanzler Olaf Scholz vom „großen Stil“, in dem abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden sollen. Und die hessische Wahlverliererin Nancy Faeser schnürt als Bundesinnenministerin ein neues „Flüchtlingspaket“, um Migration zu begrenzen und Rückführungen zu erleichtern.

 

Dass das der Hansestadt und dem ganzen Land ein Abebben der Flüchtlingsströme bescheren wird, glauben indes nicht mal Sozialdemokraten wirklich. Ohne mehr funktionierende Rückführungsabkommen in Herkunfts- und Fluchtländer, ohne die Ausweisung von deutlich mehr Ländern als „sichere Herkunftsländer“, ohne massiv verstärkten Grenzschutz und den Mut zu häufigeren Zurückweisungen illegaler Flüchtlinge dürfte der Effekt verpuffen. Und dazu werden Bund und Länder größer denken müssen: Mit einer deutlichen Einschränkung des individuellen Asylrechts im Grundgesetz, wie die Union sie ins Spiel gebracht hat. Und mit der Ignorierung wesentlicher Teile der UN-Flüchtlingskonvention, wie sie vom sozialdemokratisch regierten Dänemark bis zum rechtspopulistisch beherrschten Ungarn längst Usus ist.

 

Noch ist der Druck auf die SPD, sich auch in diese Richtung zu bewegen, offenbar nicht hoch genug. Aber er wird spätestens nach dem Hamas-Massaker in Israel weiter steigen, wenn sich aus dem Gaza-Streifen noch mehr Flüchtlinge über die östliche Mittelmehr-Route auf den Weg nach Deutschland und Hamburg machen – zwischen Januar und Juli 2023 lagen Palästinenser mit 22 Prozent bereits an der Spitze der Asylbewerberstatistik in der ganzen Republik.   

 

Und dann? Mit dieser zerstrittenen Ampel die im Nachkriegstrauma entstandenen, völlig überzogenen deutschen Asylregeln zurechtstutzen? Schon rechnerisch nicht möglich. Und politisch schon gar nicht, wie man auch an den Reaktionen der Hamburger Spitzengrünen auf den SPD-Senatoren-Hilferuf ablesen kann. Das Recht auf Asyl dürfe „nicht aus Furcht vor dem erstarkten Rechtsextremismus ausgehebelt werden“, jammerte die Öko-Fraktionsvorsitzende Jennifer Jasberg öffentlich. Hamburg müsse vielmehr die „richtigen Bedingungen“ schaffen, um ein sicherer Zufluchtsort zu bleiben und die Akzeptanz der Bevölkerung zu erhalten – als ob die in der Mehrheit noch vorhanden wäre. Ansonsten gelte: Die „Schutzsuchenden“ ein bisschen „gerechter“ in der Stadt umverteilen und sich bloß nicht den „Kontrollverlust“ einreden lassen – fern der Realität wird an der Elbe wie an der Spree die Ideologie des „Wir schaffen das!“ weitergeträumt.

 

Dass das so unter keinem Umständen weiter gehen kann, dämmert realitätsnäheren Sozialdemokraten nicht nur mit Blick auf die offenbar gescheiterte Integration Abertausender Flüchtlinge mit muslimischem Hintergrund, die nun in weiten Teilen des Landes inakzeptable „Solidarität“ mit dem Hamas-Schlächtern demonstrieren – durchaus nicht nur ein Problem in Berlin und Nordrhein-Westfalen. Auch die Integration in den Arbeitsmarkt misslingt in weiten Teilen: Nur gut die Hälfte der seit 2015 ins Land geströmten Flüchtlinge arbeitet mittlerweile, in Hamburg wie bundesweit. Die andere knappe Hälfte ist de facto in den Sozialstaat eingewandert, häufig ohne Perspektiven – eine desaströse Bilanz, die nicht nur den letzten Arbeitern unter den SPD-Wählern kaum zu vermitteln sein wird.

 

So reift bei den Gesprächen zur Migrationskrise im Kanzleramt zwischen Kanzler Olaf Scholz und CDU Parteichef Friedrich Merz die Erkenntnis, dass eine wie auch immer geartete Einbeziehung der Union in die „Flüchtlingswende“ unvermeidlich sein wird. Und in Hamburg dämmert den roten Rathausregenten, dass sie nach Hafen-, Wirtschafts- und Verkehrspolitik nun das vierte verminte Konfliktfeld mit den Grünen identifiziert haben: Die gescheiterte Migrationspolitik der offenen Grenze. „Mit denen schaffen wir die Umkehr nicht“, raunt ein führender Sozialdemokrat. Er könnte Recht behalten. 

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