EU und USA einigen sich im Zollstreit – Deutschland zahlt den höchsten Preis

Der neue 15‑Prozent-Zoll auf europäische Waren entschärft den Handelskonflikt, belastet aber vor allem deutsche Exporteure und den Mittelstand. Wirtschaftsvertreter fordern mehr Eigenständigkeit und neue Freihandelsabkommen

Hamburg, 28. Juli 2025. Nach zähen Verhandlungen haben sich die Europäische Union und die USA im lange schwelenden Zollstreit geeinigt. Die Vereinbarung sieht vor, dass auf zahlreiche europäische Produkte künftig ein Importzoll von 15 Prozent erhoben wird. Was Brüssel als notwendigen Kompromiss verkauft, bedeutet für viele europäische Unternehmen, insbesondere in Deutschland, einen empfindlichen Wettbewerbsnachteil.

Belastung für Exporteure – Hoffnung auf Schadensbegrenzung


Deutsche Firmen mit starker US-Konkurrenz trifft der Deal besonders hart. Die USA sind Deutschlands wichtigster Exportmarkt: 2024 machten deutsche Ausfuhren in die Vereinigten Staaten 10,4 Prozent der gesamten Exporte aus. Bereits in den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind sie um 2,6 Prozent gesunken. Fachleute befürchten, dass dieser Rückgang angesichts der neuen Zölle noch deutlich zunehmen könnte.


„Der EU-US-Handelsdeal ist kein Durchbruch, sondern Schadensbegrenzung: Ein unmittelbarer Handelskonflikt wurde zwar abgewendet, doch die vereinbarten Basis-Zölle von 15 Prozent belasten Hamburgs Wirtschaft weiterhin erheblich“, kritisierte Prof. Norbert Aust, Präses der Handelskammer Hamburg. Er fordert von der Politik „verlässliche Rahmenbedingungen und mehr Investitionen in Digitalisierung, Bildung und Infrastruktur“.


Mittelstand unter Druck


Besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stehen unter Druck. Für sie bedeuten die Zölle nicht nur höhere Kosten, sondern auch mehr bürokratischen Aufwand und erschwerte Lieferketten. „Die jüngste Einigung schafft zwar eine Atempause und temporär etwas mehr Planungssicherheit. Sie ist jedoch kein Erfolg – sondern Ausdruck europäischer Schwäche im internationalen Handel“, sagte
Marc S. Tenbieg, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Mittelstands-Bundes (DMB).


Tenbieg warnt davor, dass die USA Zölle zunehmend als machtpolitisches Instrument nutzen: „Während die USA ihre ‚America First‘-Strategie konsequent verfolgen, tragen die europäischen Unternehmen die Hauptlast dieser Vereinbarung.“ Er fordert, Europa müsse seine wirtschaftlichen Interessen „konsequenter vertreten, neue Freihandelsabkommen abschließen und sicherheitspolitisch unabhängiger werden“.


Warum die EU einlenken musste


Dass Brüssel den Kompromiss eingegangen ist, hat auch sicherheitspolitische Gründe. Die EU sitzt wirtschaftlich wie politisch am kürzeren Hebel: Ihr Handelsüberschuss mit den USA macht sie verwundbar, zugleich bleibt sie in der Verteidigungspolitik stark auf Washington angewiesen. „Dieser Deal ist nur angesichts der real- und sicherheitspolitischen Machtverhältnisse hinnehmbar – ein Erfolg sieht anders aus“, heißt es aus Brüsseler Verhandlungskreisen.


Fakt ist: US-Präsident Donald Trump hat mehrfach erkennen lassen, dass er bereit wäre, den Handelskonflikt jederzeit wieder eskalieren zu lassen. Umso wichtiger ist es für die EU, Gegenmaßnahmen als Druckmittel in der Hinterhand zu behalten und gleichzeitig ihren Binnenmarkt zu stärken.


IW: „Gerade noch vertretbar“


Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) bewertet die Einigung kritisch. „Dieser Deal ist nur angesichts der real- und sicherheitspolitischen Machtverhältnisse hinnehmbar – ein Erfolg sieht anders aus“, heißt es dort. Die EU habe kaum Spielraum gehabt, weil sie wirtschaftlich stärker auf die USA angewiesen sei als umgekehrt. Zugleich betont das IW, dass ein stärkerer Fokus auf den Binnenmarkt helfen könnte, die Belastungen abzufedern: Selbst ein drastischer Rückgang der deutschen US-Exporte ließe sich durch vergleichsweise geringe Zuwächse im innereuropäischen Handel kompensieren.

Blick nach vorn: Mehr Eigenständigkeit für Europa


Während EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Einigung als „wichtigen Schritt zur Stabilisierung der Handelsbeziehungen“ bezeichnet, herrscht in der Wirtschaft Skepsis. Gefordert werden schnellere Verhandlungen über Handelsabkommen mit Partnern wie Indien, Indonesien und Australien sowie die überfällige Ratifizierung des Mercosur-Abkommens.

Für Deutschland und Europa bleibt der Deal damit ein schmerzhafter Kompromiss – aber auch ein Weckruf. Nur durch eine stärkere Eigenständigkeit in Handels- und Sicherheitspolitik kann die EU künftig verhindern, in transatlantischen Machtspielen immer wieder den Kürzeren zu ziehen.

Jasmin Missler/NW