Zölle, Zinsdruck, Strukturwandel: Weltweite Firmenpleiten steigen weiter – Trendwende erst 2027 in Sicht

Allianz Trade erwartet fünftes Jahr in Folge steigender Insolvenzen – Deutschland könnte früher aus der Krise kommen


Hamburg, 21. Oktober 2025. Die Welle der Unternehmensinsolvenzen rollt weiter: Laut der neuen globalen Insolvenzstudie von Allianz Trade dürften die weltweiten Firmenpleiten 2025 um 6 Prozent zulegen – und 2026 noch einmal um 5 Prozent. Erst 2027 erwarten die Experten eine leichte Entspannung mit einem Rückgang um 1 Prozent. Damit würde das Jahr 2026 den fünften Anstieg in Folge markieren und die Zahl der Insolvenzen weltweit auf ein Niveau treiben, das rund 24 Prozent über dem Vorkrisendurchschnitt liegt.


Deutschland: Frühe Stabilisierung nach turbulentem Jahr


Besonders stark betroffen ist Deutschland: 2025 rechnet Allianz Trade mit einem Anstieg der Unternehmenspleiten um 11 Prozent auf etwa 24.320 Fälle – fast doppelt so stark wie im globalen Schnitt. Doch es gibt Hoffnung: Schon 2026 dürfte sich das Insolvenzgeschehen hierzulande stabilisieren und nur noch um 1 Prozent auf rund 24.500 Fälle steigen. Für 2027 erwartet der Kreditversicherer dann eine Trendwende – mit einem Rückgang um 4 Prozent.


„Nach einem sehr turbulenten Jahr 2025 zeigt sich für Deutschland langsam Licht am Ende des Insolvenz-Tunnels“, sagt Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dennoch bleibe das Niveau hoch: 2026 dürfte die Zahl der Firmenpleiten den höchsten Stand seit zwölf Jahren erreichen und rund 23 Prozent über dem Vor-Pandemie-Niveau liegen. Auch 2027 läge sie noch knapp 18 Prozent darüber.


Zölle als Risiko mit Zeitverzögerung


Ein zentraler Treiber der Insolvenzentwicklung sind die US-Einfuhrzölle, die bis Jahresende einen effektiven Satz von 14 Prozent erreichen dürften. Ihre Folgen werden jedoch zeitversetzt spürbar – mit voller Wucht erst 2026. Während US-Unternehmen bislang von Preisverschiebungen und Handelsumleitungen über Länder wie Indien oder Vietnam profitieren, geraten exportorientierte Volkswirtschaften zunehmend unter Druck.


Im Extremfall, so die Studie, könnten die Zölle in Kanada zu 1.900 zusätzlichen Insolvenzen führen, in Frankreich zu 6.000, in Spanien zu 2.900 und in den Niederlanden zu 700. Deutschland, Großbritannien, Italien und Belgien dürften dagegen nur geringfügig betroffen sein – dank diversifizierter Exportmärkte und stabilerer Finanzlagen.


Fünftes Krisenjahr in Folge


Bereits 2024 war die Zahl der weltweiten Unternehmensinsolvenzen um 10 Prozent gestiegen. 2025 dürften die Pleiten nun den höchsten Stand seit 2019 erreichen – rund 19 Prozent über dem Vor-Pandemie-Durchschnitt. Besonders stark ist der Anstieg in Asien und Westeuropa, etwa in Italien (+38 Prozent) und der Schweiz (+26 Prozent). „Die Abmilderungsstrategien im Handelskonflikt verlieren an Wirkung, und Sekundäreffekte setzen ein“, sagt Aylin Somersan Coqui, CEO von Allianz Trade. „Das wird die Widerstandsfähigkeit vieler Unternehmen auf die Probe stellen. Auch das Risiko von Dominoeffekten durch große Insolvenzen steigt.“


Schwachstellen: Wirtschaft, Finanzierung, Strukturwandel


Die Allianz-Trade-Experten sehen drei zentrale Schwachpunkte, die Firmen weiter unter Druck setzen:


  1. Schwaches Wachstum: In den USA und der Eurozone bleibt das Wirtschaftswachstum unter der Schwelle, die zur Stabilisierung der Insolvenzen nötig wäre.
  2. Restriktive Finanzierung: Hohe Zinsen und knappe Kredite treffen vor allem kapitalintensive sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
  3. Strukturelle Risiken: Branchen wie Bau und Automobil leiden unter Transformation, Technologiewandel und härterem Wettbewerb.


Neugründungen als Risikofaktor


Ein weiteres Risiko ergibt sich aus der Gründungswelle der letzten Jahre – besonders im Bereich Technologie und Künstliche Intelligenz. In Europa lag die Zahl der Unternehmensneugründungen zwischen 2021 und 2024 um 9 Prozent über dem Niveau der Jahre 2016 bis 2019, in den USA sogar um 36 Prozent. Da junge Firmen in den ersten fünf Jahren besonders gefährdet sind, erhöht dies das Insolvenzrisiko insgesamt.


„Der Boom im KI- und Tech-Bereich könnte sich als zweischneidiges Schwert erweisen“, warnt Ano Kuhanathan, Leiter der Unternehmensforschung bei Allianz Trade. „Ein abruptes Ende des KI-Booms könnte einen Schock ähnlich der Dotcom-Blase auslösen – mit bis zu 4.500 zusätzlichen Insolvenzen in den USA, 4.000 in Deutschland, 1.000 in Frankreich und 1.100 im Vereinigten Königreich.“


Zwischen Vorsicht und Zuversicht: Die Stimmung in Deutschland


Trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage bleibt die Grundstimmung in Deutschlands Unternehmenslandschaft verhalten optimistisch. Viele Firmen haben in den vergangenen Jahren ihre Geschäftsmodelle angepasst, Prozesse digitalisiert und Kostenstrukturen verschlankt – und verfügen damit über eine bessere Resilienz als in früheren Krisenphasen. Zugleich wächst jedoch die Sorge, dass anhaltend hohe Kosten, schwache Nachfrage und geopolitische Unsicherheiten die Erholung ausbremsen könnten.


Die Allianz-Trade-Studie zeigt: Während die Insolvenzen auf einem hohen Plateau verharren, sind die Erwartungen an Politik und Wirtschaftspolitik gestiegen. Unternehmen hoffen auf mehr Planungssicherheit, schnellere Genehmigungsverfahren und eine bessere Finanzierungsbasis für Investitionen. Die kommenden Jahre werden damit nicht nur zur Bewährungsprobe für die wirtschaftliche Substanz, sondern auch für das Vertrauen in die wirtschaftliche Steuerungsfähigkeit des Standorts Deutschland.

Quelle: Allianz-Trade

Bearbeitet: JM/NW