Tariftreuegesetz sorgt für Streit – Wirtschaft kritisiert „bürokratischen Tiefschlag“
Bundesarbeitsministerin Bas will öffentliche Aufträge an Tarifbindung knüpfen. Arbeitgeberverbände und Wirtschaftsvertreter warnen vor mehr Bürokratie, Rechtsrisiken und Belastungen für KMU.
Berlin/Hamburg, 24. Juli 2025. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat den Referentenentwurf für ein bundesweites Tariftreuegesetz vorgelegt – und sofort heftigen Widerstand aus der Wirtschaft ausgelöst. Künftig sollen öffentliche Aufträge ab 50.000 Euro nur noch an Unternehmen gehen, die tarifliche Mindeststandards einhalten – auch Subunternehmer wären daran gebunden. Kontrollieren soll das eine neue Prüfstelle. Ziel: mehr Tarifbindung und faire Arbeitsbedingungen.
Doch die Kritik ist massiv. Julian Bonato, Vorsitzender des AGV Nord, spricht von einem „Tiefschlag“ und wirft der Bundesregierung vor, die im Grundgesetz geschützte negative Koalitionsfreiheit zu verletzen. Außerdem, so Bonato, betreibe sie „populistisches Verächtlichmachen“ von nicht tarifgebundenen Arbeitgebern. Er fordert, dass Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) den Entwurf im Kabinett stoppt.
Auch Dr. Philipp Murmann, Präsident von UVNord, warnt: „Ein bürokratisches Gesetz zur Unzeit. Die Koalition hatte mehr Entlastungen für die Wirtschaft angekündigt, das Gegenteil ist der Fall.“ Er sieht den Entwurf als verfassungs- und unionsrechtswidrig und befürchtet eine Abschreckung kleiner und mittlerer Unternehmen durch komplizierte Vergabeverfahren: „Wer die Fesseln für die Wirtschaft lösen will, darf nicht mit solchen Gesetzesentwürfen um die Ecke kommen!“
Erfahrungen aus den Ländern: Ernüchternde Bilanz
Kritiker verweisen auf die Praxis in Bundesländern mit Tariftreuegesetzen: In NRW sank die Tarifbindung seit 2014 von 36,6 auf 25 Prozent, in Berlin von 16 auf 14,1 Prozent – trotz entsprechender Regelungen. In Bayern (ohne Gesetz) fiel sie nur moderat von 29,4 auf 24,7 Prozent, in Sachsen blieb sie mit 15,8 Prozent stabil.
Vergabestellen berichten zudem von praktischen Problemen: weniger Angebote, teils höhere Preise, längere Verfahrensdauern. Kleinere, nicht tarifgebundene Unternehmen würden seltener teilnehmen – während größere, oft bereits tarifgebundene Anbieter profitieren. „Wenn der Bund weniger Angebote erhält und höhere Preise an große Unternehmen zahlt, wird der Steuerzahler dafür aufkommen müssen“, warnt Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
Hinzu kommen Umsetzungsprobleme: Weniger Angebote, höhere Preise und längere Verfahren. Gerade kleinere Unternehmen würden verdrängt, während größere Anbieter – häufig tarifgebunden – profitieren. IW-Experte Hagen Lesch warnt: „Wenn der Bund weniger Angebote erhält und höhere Preise an große Unternehmen zahlt, wird der Steuerzahler dafür aufkommen müssen.“
Die Bundesregierung setzt auf Vergaberecht als Hebel für mehr Tarifbindung – doch die Erfahrungen in den Ländern zeigen: Der Effekt ist gering, die Nebenwirkungen groß. Kritiker plädieren für freiwillige und wettbewerbsfähige Tarifverträge statt Zwang. Ob das Gesetz in dieser Form durchkommt, entscheidet der Bundestag in den kommenden Monaten. Klar ist: Der Konflikt zwischen politischem Anspruch und wirtschaftlicher Realität wird noch an Schärfe gewinnen.
JM/NW