Allianz Trade Studie: Turbulenzen voraus für Airlines und Tourismus durch US-Zölle
Dunkle Wolken am US-Tourismus-Himmel: Nachfrage aus Westeuropa sinkt im März 2025 deutlich, insbesondere deutsche und spanische Reisende meiden die USA (-28 Prozent bzw. -25 Prozent )
Hamburg, 25. April 2025 – Die US-Zölle und damit verbundene Unsicherheiten bringen nicht nur die Weltwirtschaft und den Welthandel ins Wanken. Sie sorgen auch in der Tourismusbranche und bei den Fluggesellschaften für Turbulenzen. Zu diesem Ergebnis kommt die jüngste Analyse des weltweit führenden Kreditversicherers Allianz Trade. Flugzeugkosten dürften in die Höhe schnellen und die Nachfrage nach Reisen (weiter) sinken. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem Fluggesellschaften nach der Pandemie wieder im Aufwind waren. Der aktuelle Handelskrieg hat den finanziellen Höhenflug der Jahre 2023 und 2024 jäh ausgebremst, in denen die Umsätze der Airlines um +23 Prozent (2023 vs. 2022) beziehungsweise +7 Prozent (2024 vs. 2023) gegenüber dem Vorjahr stiegen und die Gewinne wieder positiv wurden.

„Nach der Schönwetterphase in den vergangenen Jahren ziehen nun dunkle Wolken auf am Tourismus-Himmel“, sagt Maria Latorre, Branchenexpertin bei Allianz Trade. „Die Pandemie hat die Tourismusbranche unwetterartig verwüstet. Fluggesellschaften hatten drei Jahre in Folge mit Gewinnverlusten zu kämpfen. Nach kurzer Verschnaufpause fliegen sie in die nächste Zone mit Turbulenzen, ausgelöst durch das Zoll-Gewitter über den USA. Dies treibt insbesondere die Flugzeugkosten in die Höhe und verschärft damit die bestehenden Produktionsprobleme. Unter allen aktuellen Herausforderungen ist die begrenzte Kapazität besorgniserregend. Aber auch der Tourismus in die USA dürfte weiter ins Trudeln geraten.“
Reiseunlust: Besonders deutsche und spanische Touristen meiden die USA
Die Flugrouten des US-Tourismus verlagern sich. Das dürfte sich vor allem auf Fluggesellschaften mit hoher Exposition gegenüber dem US-Markt auswirken. Jüngste Daten des National Travel and Tourism Office (NTTO) zeigen, dass der Tourismus aus Westeuropa in die USA im März deutlich eingebrochen ist.
„Tatsächlich sind zuletzt deutlich weniger Touristen aus Westeuropa in die USA gereist“, sagt Latorre. „Im März brachen die Zahlen um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein, in den ersten drei Monaten des Jahres 2025 um 7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Besonders deutsche (-28 Prozent im März 2025 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum) und spanische Touristen (-25 Prozent ) meiden derzeit die USA.“
Nicht ohne Folgen: US-Markt beim Tourismus und Passagieraufkommen unter den Top 3
Diese Entwicklung bleibt nicht ohne Folgen, denn sowohl beim Tourismus als auch beim Passagieraufkommen der Fluggesellschaften sind die USA in den Top 3.
„Die Vereinigten Staaten liegen beim internationalen Tourismus weltweit an dritter Stelle, hinter Frankreich und Spanien auf den Plätzen eins und zwei“, sagt Latorre. „Mehr als die Hälfte (52 Prozent ) der 72 Millionen internationalen US-Touristen stammen aus Kanada und Mexiko. Hier zeigt sich im Februar und März ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (-6 Prozent bzw. -8 Prozent ). Das trifft sowohl den zuletzt boomenden Tourismussektor in den USA generell, der 2024 einen Rekordumsatz von 215 Milliarden US-Dollar erzielte (+14 Prozent im Vergleich zu 2023), als auch die amerikanischen Airlines im Besonderen. Aber auch Transatlantikflüge zeigen einen Nachfragerückgang, so dass auch viele internationale Fluggesellschaften in unruhige Zeiten fliegen.“
Gemessen am Passagieraufkommen ist Nordamerika mit einem Anteil von rund 23 Prozent am Weltmarkt nach Asien-Pazifik (36 Prozent ) und Europa (27 Prozent ) die drittwichtigste Region für die Luftfahrtindustrie.
Turbulenzen ja, Bruchlandung nein: Günstige Kerosinpreise verschaffen Luft bei Margen
Die Finanzergebnisse des ersten Quartals 2025 reflektieren den Rückgang der Nachfrage nach Reisen in die Vereinigten Staaten. Die Auslastung[1] der Fluggesellschaften, die innerhalb der USA und in die USA fliegen, liegt derzeit bei durchschnittlich 78 Prozent . Vor der Ankündigung der US-Zölle lag sie noch bei rund 84 Prozent . Für die großen US-Fluggesellschaften bedeutet dies für den Zeitraum Januar bis März 2025 einen Umsatzrückgang von durchschnittlich 10 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Die Prognose für das Umsatzwachstum von nordamerikanischen Fluggesellschaften für das Gesamtjahr 2025 liegt bei mageren +1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das ist das schwächste Umsatzwachstum unter den globalen Wettbewerbern. Chinesische Fluggesellschaften dürften ein Umsatzwachstum von immerhin noch durchschnittlich 3 Prozent verzeichnen.
Europäische Airlines kommen vergleichsweise gut durch die Turbulenzen
„Die Aussichten für europäische Fluggesellschaften sind trotz der Turbulenzen vergleichsweise gut“, sagt Latorre. „Den Nachfragerückgang bekommen sie zwar auch zu spüren, wir erwarten dennoch ein durchschnittliches Umsatzwachstum von +10 Prozent im Jahr 2025. Zudem arbeiten die Airlines heute mit wesentlich höheren Margen– vor allem aufgrund von deutlich gesunkenen Kerosinpreisen. Diese verschaffen den Fluggesellschaften Rückenwind auf dem aktuell eher unruhigen Flug.“
Die durchschnittliche EBITDA-Marge liegt für US-Fluggesellschaften bei 11 Prozent , für europäische bei 16 Prozent und für chinesische Fluggesellschaften bei 20 Prozent . Zum großen Teil ist dies auf den deutlichen Rückgang der Kerosinpreise (-22 Prozent im Jahresvergleich und -56 Prozent unter dem Höchststand von Mitte 2022) zurückzuführen. Tatsächlich sind die Kerosinpreise ein wichtiger Faktor für die Gewinne der Fluggesellschaften, da der Treibstoff mit 29 Prozent der Gesamtkosten den größten Teil ihrer Betriebskosten ausmacht. Daher gleicht dieser die Nachfragerückgänge aktuell mehr als aus.
Begrenzte Kapazitäten und historisch lange Lieferzeiten für neue Flugzeuge
Allerdings machen den Airlines Kapazitäten und Flugzeugpreise zu schaffen, vor allem perspektivisch. Tatsächlich stehen die Hersteller von Flugzeugen und Schlüsselkomponenten weiterhin vor Herausforderungen bei der Rückkehr zur Produktion auf das Niveau vor der Pandemie, was die Auslieferungen verzögert. Die beiden größten Flugzeughersteller lieferten 2024 nur 90 Prozent der Flugzeuge aus, die sie vor Beginn der Schwierigkeiten vor fünf Jahren auf den Markt gebracht hatten. Da die Nachfrage nach neuen Flugzeugen weiter steigt, erreichte der weltweite Auftragsbestand Ende 2024 ein noch nie dagewesenes Hoch von 17.000 Flugzeugen, was es für die Flugzeugbauer sehr schwierig macht, die Nachfrage zu befriedigen. Lieferzeiten für Flugzeuge sind in der Folge auf einem historisch hohen Niveau insbesondere für Schmalrumpf- (Kurzstrecken) und Großraumflugzeuge (Langstrecken).
Durch die Decke: Flugzeuge dürften bis 2030 um rund ein Fünftel teurer werden
„Der aktuelle Handelskrieg dürfte die anhaltenden Störungen in den globalen Lieferketten sowie spezifische Probleme auf Herstellerebene verschärfen und Flugzeuge verteuern“, sagt Latorre. „Die Lieferketten der beiden großen Flugzeugbauer sind zwar unterschiedlich komplex – zu höheren Kosten dürften Zölle aber bei beiden führen. Tatsächlich sind Flugzeuge in den letzten fünf Jahren bereits um 16 Prozent teurer geworden. Angesichts der jüngsten Entwicklungen dürften die Preise bis 2030 um weitere 20 Prozent steigen.“
Durch Zölle verursachte Preissteigerungen könnten die Marktdynamik verschieben. Auch Regierungen haben teilweise ein Wort mitzureden: So hat zuletzt China seine Fluggesellschaften angewiesen, Lieferungen aus den USA auszusetzen. Weitere Regierungen könnten diesem Schritt folgen.
Quelle: Allianz-Trade