Ampelparteiendämmerung

Sachsen und Thüringen haben gewählt. Die Ergebnisse in den beiden ostdeutschen Bundesländern schockieren die Altparteien. Im März 2025 wählt Hamburg die neue Bürgerschaft. Ein Blick auf die aktuelle politische Lage in Hamburg und ein Blick nach vorn von Peter Axel Haas.

Hamburg, 2. September 2024. Die zweite Reihe aus den Hamburger Landesverbänden der Berliner Ampel-Parteien durfte das  erwartet katastrophale Ergebnis ihrer Parteifreunde bei den ostdeutschen Landtagswahlen kommentieren: „Gruselig“, „Bitter“, „Mies“. Dahinter offenbart sich nackte Angst.  


Der Osten wählt und das Ergebnis ist klar: Mit 12 bis 15 Prozent haben SPD, Grüne und FDP in Thüringen und Sachsen zusammen kaum mehr was zu sagen. Sie sind, wie die SPD wohl in Dresden und Erfurt und die Grünen möglicherweise mit Glück in Sachsen, gerade noch drin und könnten helfen, die „Brandmauer“ gegen die AfD zu halten. Die FDP ist im Osten pulverisiert. Das war’s dann aber auch. Von irgendwelchen starken Regierungsmehrheiten oder auch  nur relevanten Fraktionsauftritten sind allesamt weit entfernt. Und weil das am 22. September auch in Brandenburg nicht wesentlich anders sein wird – die AfD führt alle Umfragen mit deutlich über 20 Prozent an, SPD, CDU und BSW pendeln um oder knapp unter 20, der Rest ferner liefen - ist sicher: Die Hamburgische Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 wird das letzte deutliche Wählersignal vor der regulär im September des kommenden Jahres stattfindenden Bundestagswahl setzen.


Und wie nicht anders zu erwarten, redet sich Niels Weiland, Co-Vorsitzender der Hamburger SPD und anders als seine Vorsitzenden-Kollegin und Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard eher eine bürgerliche Garnitur an der Elb-Genossen-Spitze, ein, dass Hamburg ja nicht der Osten sei. Maryam Blumenthal, Grünen-Vorsitzende ohne Senats-Einfluss, bangt um die Demokratie. Wovor die beiden wirklich Angst haben, ist etwas anderes: Das Rot-Grün keine Mehrheit mehr in Hamburg hat.


Die Furcht ist hoch berechtigt: Gute 39 Prozent eroberten SPD und Grüne bei der Europawahl im Juni, die parallel stattfinden sieben Bezirkswahlen brachten immerhin noch gute 48 Prozent. Doch die aktuellen Regionalumfragen sehen die langjährigen Rathaus-Koalitionspartner eher beim Europawahlergebnis  und damit weit weg von einer Regierungsmehrheit. Die Gründe dafür sind vielfältig.


Der Frust über eine katastrophal misslungene Verkehrspolitik der hochgefährlichen Verlegung funktionierender Fahrradwege auf Fahrzeugstraßen mit der Folge deutlich steigender Unfälle und Staus hat längst grüne Hochburgen wie Eimsbüttel oder Ottensen erreicht – von der Wut über die tausendfache Parkplatzvernichtung ganz zu schweigen. Steigende Kriminalitätsraten und die dramatische Verwahrlosung rund um den Hamburger Hauptbahnhof beunruhigen selbst Öko-bewegte Bahn-Card 100-Nutzer ohne Auto. Die Schleifung wichtiger Prüfungen im Sekundarstufen II-Bereich durch die unsicher auftretende neue SPD-Bildungssenatorin Ksenija Bekeris stellen eine drastische Abkehr von der fast konservativen Bildungspolitik ihres Genossen-Vorgängers Thies Rabe dar, der Hamburg in allen Bildungsstudien der letzten Jahre eine massiv bessere Bewertung als etwa die Stadtstaaten Berlin und Bremen verdankt. Der Hafen dümpelt dank grüner Senatsblockaden weiter dahin, der hoch-riskante MSC-Geheim-Deal zum HHLA-Teilverkauf von SPD-Bürgermeister und Finanzsenator dürfte dieses Risiko nur weiter erhöhen. Und die schleppende Eindämmung der wachsenden Zahlen von Islamisten und Salafisten in Hamburg, von denen so mancher ein Messer mit sich führen dürfte, tut ein Übriges: Rot-Grün ist auch in Hamburg real abwählbar, das ist die das deutliche Dresden-Erfurt-Signal.


Dazu kommt ein markantes Aufleben der über Jahre blassen CDU-Opposition in der Bürgerschaft: Fraktionschef Dennis Thering, der auch die Landespartei führt und am kommenden Sonntag zum Bürgermeisterkandidaten nominiert werden dürfte, hat in den letzten Monaten deutlich an Statur gewonnen. Mit Anna von Treuenfels-Frowein hat die Elbunion nun eine landesweit bekannte Frau an seiner Seite, die als Nummer zwei der CDU-Landesliste ziehen und als ehemalige FDP-Spitzenkandidatin ihrer chronisch personalschwachen Partei endgültig den Gar aus machen dürfte. Selbst wenn die AfD in Hamburg im März knapp zweistellig werden würde und Linke wie BSW mit etwas über fünf Prozent in die Bürgerschaft einzögen – viel spricht dafür, dass es nach den „gruseligen, bitteren, miesen“ Wahlergebnissen im Osten nur noch für Rot-Schwarz, nicht aber mehr für Rot-Grün in Hamburg reicht.

Peter Axel Haas