Auf Tauchgang für die Wissenschaft:
64 deutsche Argo-Floats starten ihre Reise
Autonome Messgeräte erforschen die Weltmeere – von Sauerstoffmangel im Pazifik bis zum Schmelzen antarktischer Gletscher
Hamburg, 28. August 2025 – Sie tauchen lautlos in die Dunkelheit hinab und kehren mit Antworten zurück: 64 neue deutsche Argo-Floats nehmen Kurs auf die verborgensten Regionen der Weltmeere. Ob in den sauerstoffarmen Zonen des Pazifiks, unter arktischem Eis oder vor schmelzenden Gletschern – ihre Daten sind Schlüssel zum Verständnis des Klimawandels. Jede Messung bringt uns der Frage näher, wie wir unseren Planeten schützen können.

Sie sind klein, unscheinbar und doch unverzichtbar für die Klimaforschung: 64 neue Argo-Floats schickt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in diesem Jahr auf eine bis zu fünf Jahre dauernde Mission. Von der Arktis über Atlantik und Pazifik bis hin zur Antarktis werden die autonomen Messgeräte in die Tiefen der Ozeane abtauchen.
Rund 4.000 dieser Hightech-Bojen sind derzeit weltweit unterwegs. Sie liefern kontinuierlich Daten über Temperatur, Salzgehalt und weitere Messgrößen – unabhängig von Wetter oder Jahreszeit. „Unser Beitrag zum internationalen Argo-Programm bietet einen einzigartigen Einblick in das Innere des Ozeans“, erklärt BSH-Präsident Helge Heegewaldt. Nur durch internationale Zusammenarbeit lasse sich verstehen, wie sich die Meere verändern – und wie der Klimawandel gesteuert werden kann.
Wie ein Argo-Float arbeitet
Ausgesetzt von Forschungsschiffen, tauchen die Geräte zunächst auf 1.000 Meter Tiefe ab, wo sie bis zu neun Tage von den Strömungen treiben. Anschließend sinken sie auf 2.000 Meter, um während ihres langsamen Aufstiegs Messungen vorzunehmen – unter anderem zu Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff oder pH-Wert. An der Oberfläche senden sie ihre Daten per Satellit an ein zentrales Rechenzentrum und beginnen den Zyklus von Neuem. Mit Batterie-Laufzeiten von bis zu fünf Jahren können die Geräte tausende Messungen erfassen.
Expeditionen 2025: Von Sauerstoffmangel bis Gletscherschmelze
Tropischer Pazifik: Atemlose Zonen
Im September und Oktober setzt das deutsche Forschungsschiff SONNE zehn Argo-Floats vor Peru und Chile aus. Dort liegt eine der größten Sauerstoffminimumzonen der Welt – ein Gebiet, in dem das Wasser so arm an Sauerstoff ist, dass es das marine Leben massiv beeinflusst. Die Geräte sollen zeigen, ob und wie sich diese Zone weiter ausbreitet.
Antarktis: Der mächtige Zirkumpolarstrom
Bereits im Januar brachte das norwegische Frachtschiff SILVER MARY drei Floats am Rand des Antarktischen Zirkumpolarstroms zu Wasser. Diese Strömung transportiert bis zu 150 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde – mehr als jede andere auf der Erde. Sie verknüpft Atlantik, Indik und Pazifik und beeinflusst auch das Klima in Europa.
Weddellmeer: Forschung im Reich der Pinguine
Das deutsche Forschungsschiff POLARSTERN setzte im Januar und Februar fünf Floats im Weddellmeer aus – einem der letzten weitgehend unberührten Meeresgebiete. Hier lebt etwa ein Drittel aller Kaiserpinguine. Die Messungen sollen helfen, das empfindliche Ökosystem zu schützen, ohne es zu stören.
Antarktis: Vor dem Denman-Gletscher
Nahe dem Denman-Gletscher in Ostantarktika wurden im Februar zwei deutsche Floats vom australischen Forschungsschiff NUYINA ausgebracht. Der Gletscher gilt als einer der instabilsten der Region; sein Abschmelzen könnte den Meeresspiegel um 1,5 Meter anheben. Zwischen 1996 und 2018 zog er sich bereits fünf Kilometer zurück.
Labradorsee: Kohlenstoff in der Tiefe
Im April und Mai verankerte das französische Schiff L’ATLANTE zwei Floats in der Labradorsee. Dort sinken kalte, salzhaltige Wassermassen in die Tiefe und transportieren dabei Kohlenstoff und Sauerstoff – ein zentraler Mechanismus für das globale Klimasystem.
Arktis: Messungen unter dem Eis
Zwei weitere Geräte wurden im Juli von der POLARSTERN in der Arktis eingesetzt. Ein eigens entwickelter Algorithmus erkennt Eis an der Oberfläche und verhindert, dass die Floats einfrieren. So können sie selbst im Winter unter dem Eis wertvolle Daten sammeln.
Globales Netzwerk für den Klimaschutz
Das Argo-Programm wird von mehr als 30 Nationen getragen. Deutschland steuert jährlich rund 50 Geräte bei und koordiniert den nationalen Beitrag. Die fast 4.000 Floats weltweit liefern ein einzigartiges Datenfundament für Meeres- und Klimaforschung. Damit lassen sich nicht nur kurzfristige Wetterprognosen verbessern, sondern auch langfristige Trends wie Ozeanerwärmung, Versauerung oder Sauerstoffmangel erkennen.
Die unscheinbaren Messgeräte sind damit Schlüsselakteure im Kampf gegen die Klimakrise – und stille Zeugen der dramatischen Veränderungen in den Tiefen unserer Ozeane.
Quelle: BSH
Bearbeitet: JM/NW