Bund in der Pflicht: Neuer ZDS-Präsident fordert Kurswechsel bei Hafenpolitik

Sebastian Jürgens warnt vor „historischem Investitionsversäumnis“ – Seehäfen für Zeitenwende, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit zentral

Hamburg, November 2025. Der neue Präsident des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), Prof. Dr. Sebastian Jürgens, hat unmittelbar nach seiner Wahl deutliche Kritik an der Bundespolitik geäußert. Die deutschen Seehäfen seien „Herzkammern des globalen Handels“, würden aber seit Jahrzehnten vom Bund „sträflich vernachlässigt“. Die Verantwortung ausschließlich den Bundesländern zuzuschreiben, sei angesichts der gesamtstaatlichen Bedeutung der Häfen „nicht mehr vermittelbar“.

Jürgens knüpft damit an eine Debatte an, die in den vergangenen Wochen durch mehrere Wirtschaftsinstitute und Medienberichte befeuert wurde: Das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität drohe weit hinter seinen Möglichkeiten zurückzubleiben – unter anderem wegen Zweckentfremdung von Mitteln und schleppender Planung. Laut jüngsten Untersuchungen werde „bis zu jeder zweite Euro“ nicht zusätzlich investiert, sondern ersetze bestehende Haushaltsmittel.


15 Milliarden fehlen – Modernisierungsstau gefährdet Zeitenwende

Für die deutschen Seehäfen sieht der ZDS einen akuten Modernisierungsbedarf von rund 15 Milliarden Euro allein in der öffentlichen Infrastruktur. Die Folgen des Investitionsstaus seien längst spürbar: Engpässe in Hafenbecken und Hinterlandanbindungen, überalterte Anlagen und unzureichende Kapazitäten für Transformation und Energiewende.

Präsident ZDS: Sebastian Jürgens

Prof. Dr. Sebastian Jürgens (62) steht seit November 2025 an der Spitze des ZDS, zuvor gehörte er seit 2019 dem Präsidium an. Hauptamtlich leitet er seit 2014 die Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG). Zuvor war er u. a. Vorstandsmitglied der Hamburger Hafen und Logistik AG und Bereichsvorstand der Deutschen Bahn (Ressort Intermodal). Jürgens ist promovierter Philosoph, Volljurist und Honorarprofessor für Transportlogistik an der TU Berlin.


Vizepräsident

Matthias Magnor, BLG LOGISTICS GROUP AG & Co. KG


Weitere Präsidiumsmitglieder

Jeroen Eijsink, Hamburger Hafen und Logistik AG

Jan Müller, J. MÜLLER SE

Jens Aurel Scharner, Rostock Port AG

Die Branche hatte wiederholt darauf hingewiesen, dass Deutschland ohne leistungsfähige Hafenstandorte weder die Energiewende, noch die Zeitenwende in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bewältigen könne.


Sicherheitspolitische Bedeutung wächst – Bremerhaven als Signal

Mit der jüngsten Entscheidung des Haushaltsausschusses, 1,35 Milliarden Euro für den Ausbau des Hafens Bremerhaven bereitzustellen, erkennt der Bund erstmals explizit die Rolle der Seehäfen als militärische Schlüsselstandorte an. Jürgens begrüßt diesen Schritt, betont jedoch, dass das nicht ausreiche: Deutschlands Verteidigungsfähigkeit benötige mehrere einsatzfähige Hafenstandorte an Nord- und Ostsee.


Der Investitionsbedarf für militärische Ertüchtigung beträgt laut ZDS insgesamt rund drei Milliarden Euro – für Schwerlastflächen, Liegeplätze, Schienenanbindung und Sicherheitstechnik. Die Häfen seien zunehmend Ziel hybrider Bedrohungen: Drohnen, Sabotage, Spionage. „Ihr Schutz ist eine gesamtstaatliche Aufgabe“, so Jürgens.


Wettbewerbsfähigkeit: Wirtschaft drängt auf Reform der Einfuhrumsatzsteuer

Auch wirtschaftspolitisch fordert der ZDS mehr Tempo: Die überfällige Reform der Einfuhrumsatzsteuer müsse endlich umgesetzt werden. Der vorab eingeforderte Betrag – 2024 waren es etwa 75 Milliarden Euro – entziehe Unternehmen dringend benötigtes Kapital für Investitionen und belaste deutsche Standorte im internationalen Wettbewerb.


Kanzler Friedrich Merz habe einen Kurs der Entbürokratisierung und Wettbewerbsstärkung versprochen, „doch die Lieferung lässt auf sich warten“, so Jürgens.


Der ZDS fordert, dass die deutschen Seehäfen strukturell in das SVIK-Sondervermögen eingebunden werden und zusätzlich jährlich 500 Millionen Euro für ihren Erhalt und ihre Modernisierung bereitgestellt werden. Die Mittel innerhalb des Sondervermögens sollten dabei möglichst flexibel einsetzbar sein, sodass nicht abgerufene Haushaltsmittel verkehrsträgerübergreifend genutzt werden können. Zudem verlangt der Verband eine klare militärische Einbindung der Seehäfen in die Sicherheitsplanung des Bundes sowie eine entsprechende Finanzierung für deren sicherheitsrelevante Ertüchtigung. Darüber hinaus setzt sich der ZDS für verbesserte Rahmenbedingungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ein, insbesondere durch eine zügige Umsetzung des Verrechnungsmodells bei der Einfuhrumsatzsteuer.

Quelle: ZDS

Bearbeitet: JM/NW