Deutschlands Lebensader auf See:
Handelsflotte zwischen geopolitischen Risiken und strategischer Pflicht
Bei der Blue Night 2025 mahnt der Verband Deutscher Reeder: Ohne eine starke Handelsflotte droht Deutschland im globalen Machtgefüge abhängig und verwundbar zu werden.
Berlin, 18. September 2025. Ob Krisen in der Straße von Hormus, Angriffe von Huthi-Milizen im Roten Meer oder die zunehmende Dominanz Chinas in Asien: Der freie und sichere Seehandel ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Für eine Exportnation wie Deutschland geht es damit um weit mehr als nur um Logistik – es geht um wirtschaftliche Stärke, Versorgungssicherheit und strategische Unabhängigkeit.
Die See ist rauer geworden. Nicht nur meteorologisch, sondern vor allem politisch. Auf den Weltmeeren kreuzen sich Handelsinteressen, Machtprojektionen und sicherheitspolitische Drohungen. Die jüngsten Angriffe auf Frachter im Roten Meer, der Streit um Taiwan und das russische Vorgehen im Schwarzen Meer zeigen, wie fragil die globalen Lieferketten sind. Genau deshalb war der Tenor bei der
„Blue Night 2025“ des Verbands Deutscher Reeder (VDR)
in Berlin eindeutig: Deutschland braucht eine starke Handelsflotte – als Rückgrat seiner Wirtschaft und als strategische Ressource in einer Welt, die an Stabilität verliert.

„Unser wirtschaftlicher Erfolg, unsere Versorgungssicherheit und unser Platz in der Welt hängen entscheidend davon ab, dass wir eine starke Schifffahrtsnation sind“, betonte VDR-Präsidentin Gaby Bornheim. Tatsächlich läuft rund zwei Drittel des deutschen Außenhandels über See. Mehr als 200 Reedereien betreiben etwa 1.800 Schiffe – eine der größten Handelsflotten weltweit. Doch die zentrale Frage lautet: Wie lässt sich diese Stärke angesichts verschärfter geopolitischer Spannungen und zunehmender Konkurrenz sichern?
Geopolitische Unsicherheit als Geschäftsrisiko
Die Konflikte in kritischen Seewegen machen deutlich, dass Handelsrouten keine neutralen Räume mehr sind. Die Huthi-Angriffe auf Frachter im Jemen-Konflikt zwangen große Reedereien zuletzt, Umwege über das Kap der Guten Hoffnung zu fahren – mit Milliardenkosten. Gleichzeitig baut China seine maritime Präsenz systematisch aus, kontrolliert Häfen weltweit und nutzt die „Neue Seidenstraße“ als geopolitisches Druckmittel. Russland wiederum instrumentalisiert das Schwarze Meer, um Europa wirtschaftlich und politisch unter Druck zu setzen.
Für Deutschland, rohstoffarm und zugleich hochgradig exportorientiert, ist die Handelsflotte mehr als ein Wirtschaftsfaktor. Sie ist auch sicherheitspolitische Ressource: Ohne sie wäre der Transport von militärischem Material und Ausrüstung in einem Konfliktfall nicht gewährleistet – ein Szenario, das Abhängigkeiten von Drittstaaten und damit neue Verwundbarkeiten schaffen würde.
Politische Weichenstellungen gefordert
Der VDR fordert daher klare Signale und Taten von der Politik. Neben einer verlässlichen steuerlichen und rechtlichen Grundlage – etwa durch den Fortbestand der Tonnagesteuer – brauche es vereinfachte Verfahren, gezielte Investitionsanreize und faire Wettbewerbsbedingungen. Andernfalls drohe ein Abwandern von Reedereien ins Ausland, wo massive staatliche Förderungen locken.
Christoph Ploß, Koordinator der Bundesregierung für maritime Wirtschaft und Tourismus, unterstrich: „Für uns als Exportnation ist ein freier und sicherer Seehandel von entscheidender Bedeutung: Er ist die Lebensader für unseren Wohlstand, unsere Versorgungssicherheit und unseren Wirtschaftsstandort.“
Sicherheit und Wirtschaft – zwei Seiten derselben Medaille
Dass die Zukunft der deutschen Schifffahrt nicht allein ökonomisch gedacht werden kann, verdeutlichte Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz: „Das deutsche Geschäftsmodell wird künftig nur noch funktionieren, wenn Deutschland und Europa global militärische Macht projizieren können.“ Maritime Fähigkeiten – sowohl zivil als auch militärisch – seien der Schlüssel, um Handelswege offen und Wirtschaftsmacht handlungsfähig zu halten.
Fazit und Empfehlungen
Die Botschaft der Blue Night ist klar: Ohne eine starke, wettbewerbsfähige und politisch gestützte Handelsflotte riskiert Deutschland nicht nur ökonomische Nachteile, sondern auch strategische Abhängigkeiten. Der VDR mahnt deshalb: Jetzt müsse gehandelt werden – durch gezielte Förderung, faire Wettbewerbsbedingungen und eine engere Verzahnung von Wirtschafts- und Sicherheitspolitik. Denn eines steht fest: Wer die Seewege kontrolliert, kontrolliert nicht nur den Handel – sondern auch den Wohlstand.
JM/NW