Grünes Verwelken
Von Habecks Pöbel-Abgang bis zu schwachen Landesregierungen: Die Grünen verlieren Profil – und riskieren weiteren Machtverlust
Von: Peter Axel Haas
Hamburg, 27. August 2025. Die Grünen stecken tief in der Krise: Robert Habecks unsouveräner Abschied aus der Politik ist nur das sichtbarste Symptom. In Hamburg, Bremen oder Kiel wirken die grünen Senatoren und Senatorinnen kraftlos, Projekte bleiben liegen. Und auch bundesweit drohen Verluste – in Baden-Württemberg könnten die Grünen sogar ihren einzigen Ministerpräsidentenposten verlieren. Das einstige Erfolgsmodell der Ökopartei zeigt Risse – ein Rezept gegen den Niedergang ist nicht erkennbar.

Es läuft nicht rund für die Grünen in diesem Sommer. Robert Habecks stilloser Abgang aus der Politik ist nur das öffentlich stark wahrgenommene I-Tüpfelchen, der Niedergang der Öko-Partei ist auch im Norden sichtbar – und er dürfte sich im nächsten Jahr in einigen Bundesländern verschärfen.
Bayern Ministerpräsident Markus Söder falle durch „fetischhaftes Wurstgefresse“ auf, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner spalte „mutwillig oder aus Dämlichkeit“ die Gesellschaft. Mit solchen latent frauenfeindlichen und Anti-Landsmannschaftlichen Anwürfen verabschiedet er sich aus der Politik in Richtung eines akademischen Wolkenkuckucksheims zwischen Kopenhagen und US-Ostküste. Ausgerechnet Robert Habeck, der angeblich so reflektierte Charmebolzen, der verwuschelte Intellektuelle aus Flensburg, der mal Kanzler werden wollte und schon als Wirtschaftsminister desaströs scheiterte, leistet sich einen „Pöbel-Abgang“ (BILD). Und zeigt so sein wahres Gesicht hinter der woken Fassade.
Dem verbliebenen Berliner Führungsquartett der Ökos dürfte das kaum gefallen: Zwar ist die Partei endlich mal wieder in den Schlagzeilen, was seit der Bundestagwahl selbst in den grünenfreundlichen öffentlich-rechtlichen und Hamburger oder Münchner Print-Medien kaum noch der Fall war. Und vielleicht identifiziert sich ja auch ein Teil des geschrumpften Öko-Kernklientels mit den Habeckschen Frechheiten. Aber die Mitte der Gesellschaft erobert man derart sicher nicht zurück. Außerdem dokumentiert der Medienwirbel, wie saft- und kraftlos an der Fraktionsspitze die oberlehrerhafte Britta Hasselmann und ihre gern vorlaut daherkommende Amtskollegin Katharina Dröge, im Parteivorsitz das Vorzeige-Arbeiterkind Felix Banaszak und die unterkühlte Franziska Brantner auftreten – auch in den eigenen Reihen käme wohl niemand auf die Idee, irgendjemanden aus diesem grünen Kleeblatt zur „Kanzlerkandidat*in“ auszurufen.
In den sieben Bundesländern, in denen Grüne noch mitregieren, dürfte der Habecksche Ausfall wohl eher Kopfschütteln ausgelöst voran. Allen voran den Hamburger Ökos, die sich zumindest nach außen stets um sachliche Politikansätze bemüht zeigen, hilft das bei wachsendem Gegenwind in der Stadt nicht weiter: Die neue Wissenschaftssenatorin Maryam Blumenthal fällt bisher vor allem in ihrer Funktion als Gleichstellungsministerin auf, ansonsten nur durch die Unfähigkeit ihres Hauses, die Position eines Antisemitismusbeauftragten rechtssicher neu zu besetzen oder den vollmundig angekündigten Bau von mehr Studentenwohnheimen anzuschieben – der Rest ist Funkstille. Ebenso unsichtbar bleibt Justizsenatorin Anna Gallina, der es auch in den Koalitionsverhandlungen des Frühjahrs nicht gelang, die dramatisch unterbesetzten Gerichte und Staatsanwaltschaften mit ernsthaftem Stellenaufbau zu versehen.
Der angesichts von anhaltendem Verkehrschaos, völlig unzureichender Baustellenkoordination , Parkplatzvernichtung und wirrer Straßenraumplanung in der Stadt weithin unbeliebte Verkehrssenator Anjes Tjarks versucht es jetzt mit einem Ablenkungsangriff: Die Deutsche Bahn, der wohlfeile Prügelknabe der Nation, sei schuld, dass es bei Erweiterung und Neuverbindungen um den völlig überlasteten Hamburger Hauptbahnhof nicht weitergehe – alles Planungen, die er vor der Bürgerschaftswahl noch vollmundig angekündigt hatte. Mit Ablenkung der immerhin vernünftigen Art versucht es die ins Umweltressort gewechselte Spitzen-Grüne Katharina Fegebank: Die Wehrpflicht müsse auch für Frauen her („Gleiche Rechte bedeuten auch gleiche Pflichten“), ließ sie sich vernehmen, zum öffentlichen Missfallen ihres neuen Parteivorsitzenden Leon Alam – und wohl in der Absicht, vom Stillstand vieler Projekte auch in der Umweltbehörde abzulenken.
So oder ähnlich geht es auch den in Hannover, Bremen und Kiel noch mitregierenden Ökos: Vor allem an der Förde soll es zwischen dem durchaus grüngeneigten CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günter und der ambitionierten Sozialministerin Aminata Touré von den Grünen immer häufiger zu knirschen, heißt es im Landeshaus. In Schwerin pendelt die Partei in den Umfragen zur nächsten Landtagswahl Mecklenburg-Vorpommerns am 20. September 2026 mühsam um die fünf Prozent, Regierungsbeteiligung angesichts des zu erwartenden Durchmarsches der Extremisten von rechts und links nicht in Sicht. Und in Baden-Württemberg stemmt sich der wackere Cem Özdemir bisher erfolglos gegen den Umfragetrend: Der smarte CDU-Aufsteiger Manuel Hagel könnte nach aktuellen Erhebungen die Christdemokraten wieder über 30 Prozent führen, die Grünen mit dem Ex-Bundeslandwirtschaftsminister rangieren um die 20 – damit hätte die Ökopartei nach der nächsten Landtagswahl vom 8. März 2026 ihren einzigen Ministerpräsidentenposten verloren. Das Parteisymbol, die Sonnenblume, welkt dahin und ein Rezept dagegen ist derzeit nicht in Sicht.
PAH