Hamburgs Industrie kämpft um ihre Wettbewerbsfähigkeit
Nach dem Zukunftsentscheid: Wirtschaft sucht Wege zwischen Klimazielen und Standortrealität
Hamburg, 16. Oktober 2025. Nach dem Hamburger Zukunftsentscheid steht fest: Die Stadt soll bis 2040 klimaneutral werden. Für Hamburgs Industrie ist das Chance und Herausforderung zugleich. Beim Tag der Hamburger Industrie machten Politik und Wirtschaft deutlich, dass Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit nur gemeinsam gelingen können.
Neue Rahmenbedingungen nach dem Zukunftsentscheid
Mit dem Volksentscheid vom 12. Oktober 2025 hat Hamburg sich selbst ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Klimaneutralität bis 2040. Für Unternehmen bedeutet das zusätzliche Anforderungen an Energieversorgung, Produktion und Investitionen. Beim Tag der Hamburger Industrie, ausgerichtet von der Handelskammer Hamburg und dem Industrieverband Hamburg e. V. (IVH), wurde deutlich: Die Wirtschaft will die Transformation aktiv mitgestalten – fordert dafür aber planbare und realistische Rahmenbedingungen.
„Jede Hürde weniger stärkt die Innovationskraft“
„Jede Hürde, die den Unternehmen aus dem Weg geräumt wird, erhöht die Chance, im Rennen um Innovationen und Fachkräfte erfolgreich zu sein“, betonte Handelskammer-Präses Norbert Aust in seiner Eröffnungsrede. Zwar lasse sich der Ausgang des Volksentscheids nicht ändern, so Aust, aber umso wichtiger sei es nun, den Weg zur Klimaneutralität unternehmerisch zu gestalten. Orientierung gebe dabei der Kammer-Standpunkt „Hamburg Net Zero“, der konkrete Vorschläge für eine marktwirtschaftliche und innovationsfreundliche Umsetzung enthalte. Ein Beispiel nannte Aust selbst: Der städtische Versorger Hamburg Energie könne künftig einen großen Windpark in oder an der Nordsee betreiben, um die Industrie mit verlässlicher und wettbewerbsfähiger Energie zu versorgen. „Klimaschutz und industrielle Stärke dürfen keine Gegensätze sein“, sagte er.
Industrie als „Powerhouse“ des Nordens
Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) würdigte die Industrie als „Powerhouse des Nordens“: „Wir müssen mit noch mehr Wucht beim Thema Klimaschutz vorangehen – gemeinsam mit der Wirtschaft.“ Fegebank betonte, dass Innovation der Schlüssel sei, um Klimaziele und Wettbewerbsfähigkeit zu vereinen. Hamburg könne zeigen, wie nachhaltiges Wachstum und industrielle Stärke zusammenpassen – vorausgesetzt, Energieversorgung, Infrastruktur und Investitionssicherheit werden verlässlich aufeinander abgestimmt.
Energiewende am Industriestandort
Wie kann die Energiewende an einem Industriestandort wie Hamburg gelingen? Diese Frage stand im Mittelpunkt des ersten Panels mit Jens Müller-Belau (Shell Deutschland), Klaus Schweininger (TRIMET Aluminium SE) und Sophia Rödiger (1Komma5°). Die Diskutierenden waren sich einig: Eine erfolgreiche Transformation erfordert stabile Energiepreise, ausreichende Netzkapazitäten und den konsequenten Ausbau von Wasserstoff- und Speicherinfrastruktur. Moderator André Trepoll, Hauptgeschäftsführer des IVH, fasste zusammen: „Die Industrie ist bereit, Verantwortung zu übernehmen – aber sie braucht verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit.“
Strategien für die Industrie
Im zweiten Panel ging es um langfristige Strategien und Bedarfe. Jan-Oliver Siebrand (Handelskammer Hamburg) plädierte für weniger Bürokratie und schnellere Genehmigungen. Dr. Christopher Schwieger, Staatsrat und Industriekoordinator in der Wirtschaftsbehörde, sprach von einer „neuen Phase der Partnerschaft“ zwischen Politik und Wirtschaft. Auf dem Podium saßen außerdem Tore Prang (Aurubis AG), Dr.-Ing. Anne Lamp (traceless materials GmbH) und Björn Jesse (Drees & Sommer SE). Ihre Botschaft: Transformation braucht Realismus, Kooperation und Innovationsmut.
Industrie als Teil der Lösung
Trotz der neuen gesetzlichen Vorgaben herrschte beim Tag der Industrie Einigkeit: Die Wirtschaft ist nicht Bremser, sondern Treiber der Klimawende. Ohne industrielle Wertschöpfung seien zentrale Zukunftstechnologien – von Windrädern bis Wasserstoffanlagen – nicht denkbar. „Wer über Klimaschutz spricht, darf nicht vergessen: Ohne Industrie keine Energiewende“, brachte es ein Teilnehmer auf den Punkt.
Jetzt kommt es auf Initiative an
Der Zukunftsentscheid hat Hamburg verpflichtet, die Klimaziele zu verschärfen. Für die Industrie bedeutet das mehr Verantwortung, aber auch neue Chancen. Entscheidend wird sein, ob Stadt und Wirtschaft gemeinsam den richtigen Weg finden. Präses Norbert Aust formulierte es zum Abschluss so: „Die Hürden sind hoch – aber jede Hürde, die wir gemeinsam nehmen, stärkt den Standort Hamburg.“
JM/NW