Klimaträume und Koalitionskiller
Während Hamburgs Bürgermeister in Kanada grüne Wasserstoffträume verkündet, droht die Hansestadt durch den umstrittenen „Zukunftsentscheid“ wirtschaftlicher Schaden
Von: Peter Axel Haas
Hamburg, 23. September 2025. Im fernen Kanada besucht Peter Tschentscher gerade mit großer Entourage einen Wasserstoff-Hafen. Und die mitgeflogenen Hamburger Journalisten notieren brav die vom Hamburger Bürgermeister vorgetragenen Zukunfts-Klimaträume vom grünen Antriebsstoff, der, herübergeschippert vom neufundländischen St. John’s, auch an der Elbe klimafreundlich wirken soll. Nur, dass dafür in Europa bis heute weder ein Markt noch bezahlbare Preise vorhanden sind. Stattdessen gibt es in der Hansestadt wieder mal einen Volksentscheid, der sich hochtrabend „Zukunftsentscheid“ zum Klimaschutz nennt – in Wahrheit aber ein Projekt zum ökonomischen Absturz Hamburgs aus ökologischen Vorwänden darstellt.
Harmlos grinsen sie derzeit zwischen Alster und Elbe von Großplakaten, die brav divers sortierten Damen und Herren auf den Werbeplakaten für den „Zukunftsentscheid“ zum „besseren Klimaschutz“. Maik und Patsy und Luise und einige andere suggerieren uns, dass wir aus Sorge um unseren Planeten die Klimaneutralität Hamburgs um fünf Jahre auf 2040 vorziehen müssten. Die besorgten „Bürger*innen“ der Initiative würden schon dafür sorgen, dass das alles sozialverträglich, ohne Schaden für Wirtschaft, Verkehr und Jobs umzusetzen sei, flötet es auf Ihrer Website.
Dass dies schlicht die Unwahrheit ist und hinter der Initiative ein Programm zur Armutserzeugung und Freiheitsvernichtung in der Hansestadt lauert, haben mittlerweile nicht nur führende Elb-Sozialdemokraten erkannt, sondern sogar Hamburgs Spitzengrüne: Sie fände es ja „total wichtig“, dass die Hamburger bis zum 12. Oktober über die Vorschläge für weiter einzuschränkenden Autoverkehr, abzuschaffende Öl- und Gasheizungen oder noch schärfere Umweltauflagen für die Industrie abstimmen dürfen, säuselte Hamburgs Umweltsenatorin Katharina Fegebank öffentlich, wohl auch um Ihre dem Entscheid positiv zugeneigte Basis zu kalmieren. Aber „unterstützen“ wolle sie das dann doch nicht, so die Zweite Bürgermeisterin.
Und vor allem aus Koalitionsräson mit der SPD, deren Chefgenossen in Sachen „Zukunftsentscheid“ immerhin Tacheles reden: Eine milliardenteure „Mogelpackung“ mit der Folge ungeahnter „sozialer Härten“ stecke hinter der von Fridays For Future, dem Mieterverein, dem BUND und dem FC St. Pauli lancierten Aktion, so Finanzsenator Andreas Dressel in ungewöhnlicher Deutlichkeit. Viele Menschen mit Wohneigentum könnten sich eine Abertausend-Euro-teure Zwangsumrüstung ihrer Heizungen bis 2040 nicht leisten, warum der Volksentscheid ausgerechnet von einer Mieterschutzorganisation mitgetragen werde, sei ihm „schleierhaft“. Selbst mit stadtweitem Tempo 30 und einem Fahrverbot für Verbrenner könnten die Ziele im Straßenverkehr in den nächsten 15 Jahren nicht umgesetzt werden, so Dressel weiter – ein Traumtanz zum Kreuzchen-machen, aus der eine Tragödie für die Stadt werden könnte.
Denn schon jetzt kann Hamburg dank schlechter Rahmenbedingungen seiner ökonomischen Kernrolle als Industriestandort und Drehkreuz des Nordens kaum noch gerecht werden. Die Infrastrukturerneuerung kommt weder im maroden Hafen, noch bei der Bahnanbindung Richtung Süden oder den Autobahnneubauten A20 und A 26 richtig voran, im Gegenteil – dem Bundesfinanzminister fehlt trotz dem 500 Milliarden-Infrastrukturprogramm angeblich das Geld, um Hamburg den Malus zu nehmen, die einzige europäische Millionenmetropole ohne Autobahnring zu sein; in der niedersächsischen Provinz sabotieren vor allem Spitzengenossen und Heide-Freunde die Baupläne für eine neue Bahntrasse ; und wann der Bund wieviel Geld für die Erneuerung bröckelnder Kaimauern gibt, steht weiter in den Sternen.
Dass sich daran rasch etwas ändert, glauben im stillen Kämmerlein wohl selbst die optimistischsten Senatsmitglieder nicht. Vor diesem trüben Hintergrund dem „Zukunftsentscheid“ zuzustimmen, hieße die ohnehin drohende Deindustrialisierung, Verarmung und Verödung Hamburgs massiv zu beschleunigen. Und das für quasi Nichts: Knapp 40 Milliarden Tonnen CO² wurden 2023 auf der Erde ausgestoßen (Chinas Anteil: Gut 11 Milliarden!), Hamburgs eigene Kohlendioxid-Emissionen betrugen 2022 unter fünf Millionen – das macht etwas mehr als 0.01 Prozent Weltanteil aus. Peter Tschentscher möchte man angesichts dessen zurufen: Statt Klimaträumen am anderen Ende der Erde nachzuhängen, sollte er zuhause die Bekämpfung des „Zukunftsentscheid“ nicht allein SPD-Senatoren überlassen - im Interesse seiner Regierung, die diesen Koalitionskiller nicht braucht, vor allem aber im Interesse der Stadt.
PAH