Norddeutsche Unternehmen fordern mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit
Eine Umfrage zeigt: Mehrheit der Betriebe will tägliche Höchstarbeitszeit abschaffen und setzt auf Vertrauensarbeitszeit.
Hamburg, 1. Oktober 2025. Die Debatte um die Arbeitszeit in Deutschland gewinnt an Fahrt: Während die Politik über Mindeststandards, Zeiterfassung und Vertrauensarbeitszeit diskutiert, sehen viele Unternehmen die aktuellen Regelungen als zu starr an. Vor allem Betriebe in Norddeutschland wünschen sich mehr Flexibilität, um Arbeitsprozesse effizienter gestalten zu können, ohne die Gesamtarbeitszeit zu erhöhen.
Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Arbeitgeberverbände NORDMETALL und AGV NORD unter 289 Betrieben mit zusammen mehr als 118.000 Beschäftigten in Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und dem nordwestlichen Niedersachsen. Demnach sprechen sich 87 Prozent der befragten Geschäfts- und Personalleitungen für die Abschaffung der täglichen Höchstarbeitszeit zugunsten einer wöchentlichen Betrachtung aus. 47 Prozent halten die politische Debatte um die Arbeitszeitflexibilisierung für überfällig.
„Das Arbeitszeitgesetz beschränkt den Arbeitstag auf acht, in Ausnahmefällen auf zehn Stunden. Das passt nicht zu den Anforderungen einer modernen, global vernetzten Arbeitswelt, in der Produktivität, Schnelligkeit, Wettbewerbsfähigkeit ebenso wie die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben gleichermaßen eine Rolle spielen“, sagt NORDMETALL-Hauptgeschäftsführer Dr. Nico Fíckínger. Es sei weder nachvollziehbar noch ökonomisch tragbar, dass Reparaturen bei einem Kunden abgebrochen werden müssten, nur weil ein Beschäftigter einige Minuten länger als zehn Stunden arbeitet. „Keiner soll insgesamt länger arbeiten müssen, aber die Arbeit sollte innerhalb der Woche besser verteilt werden dürfen.“
Die Umfrage zeigt zudem: Jeder zweite Betrieb setzt bei Führungskräften bereits auf Vertrauensarbeitszeit, in jedem vierten ist dieses Modell Standard. 64 Prozent der Firmen fürchten durch die geplante Pflicht zur umfassenden Arbeitszeiterfassung einen Verlust an Flexibilität, 56 Prozent erwarten Ablehnung durch die Beschäftigten, knapp die Hälfte rechnet mit steigenden Kosten durch Bürokratie. „Union und SPD haben im Koalitionsvertrag zugesagt, die Vertrauensarbeitszeit trotz EU-Arbeitszeitrichtlinie zu erhalten. Jetzt muss diese Ankündigung zügig Realität werden lassen“, fordert Fíckínger.
Weitere Forderungen der Unternehmen betreffen eine Neudefinition von Arbeits- und Bereitschaftszeit (60 Prozent) sowie eine Reform der Ruhezeiten (47 Prozent). „Für praxistaugliche Flexibilisierung ist eine Kombination aus wöchentlicher Höchstarbeitszeit und flankierender Ruhezeitenregelung unerlässlich“, sagt Fíckínger.
Darüber hinaus setzen die Betriebe auf flexible Übergänge in den Ruhestand: Ein Viertel plädiert für ein höheres Renteneintrittsalter, 67 Prozent sehen qualifizierte Zuwanderung als Lösung, 65 Prozent auf die Aktivierung von Nichterwerbstätigen. Knapp 80 Prozent wünschen sich Anreize, damit Beschäftigte über das Renteneintrittsalter hinaus arbeiten, und mehr als die Hälfte beschäftigt bereits heute Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jenseits der gesetzlichen Altersgrenze. „Wer länger arbeiten will, soll das dürfen, und Unternehmen sollen entscheiden können, wen sie länger beschäftigen möchten“, so Fíckínger.
JM/NW