Stadtabstieg voraus

Optimismus an der Isar, Pessimismus an der Elbe

Eine kritische Betrachung aus dem Hamburger Rathaus von Peter Axel Haas

Hamburg, 28. Oktober 2025. Unterschiedlicher könnten die Ergebnisse kaum sein: In München stimmt zwei Drittel der Stadtbevölkerung für eine erneute Olympiabewerbung, bei einer Wahlbeteiligung von deutlich über 40 Prozent. In Hamburg votieren etwas mehr als 50 Prozent der Bürger für ein Vorziehen der Klimaneutralität auf 2040, Stimmbeteiligung ähnlich. Ein optimistisches Zukunftsvotum an der Isar, der Einstieg zum weiteren Stadtabstieg an der Elbe – ein Trauerspiel für den Norden.

Wer wissen will, warum die bürgerliche Stadtgesellschaft in der bayerischen Metropole bei wichtigen Entscheiden mehrheitsfähig ist und warum sie in Hamburg versagt, der brauchte sich in den letzten Wochen nur auf der Straße, im Netz oder in den Regionalmedien umzuschauen: Eine breite Kampagne für „Olympia mit Herz und Verstand“ prägte die Öffentlichkeit in halb Oberbayern. SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter  warb in zahllosen Auftritten für eine Wiederauflage der Spiele im Jahr 2036, 2040 oder 2044. Der rührige Sympathieträger vom Marienplatz konnte mit klugen Argumenten für den ökonomischen Push und die ökologische Verträglichkeit des Sportgroßereignisses so manche Bedenkenträger überzeugen, die ein Baustellenchaos vor oder Mietpreissteigerungen nach den Spielen fürchteten. Auch die bayrische Staatsregierung unter Führung vom Bayerischen Ministerpräsident Markus Söder (Kommentar zum Ergebnis: „Geile Geschichte“.) warf sich in den „Wahlkampf um die Ringe“. Und alle Befürworter konnten auf den Modernisierungsschub verweisen, den München 1972 erlebte, als die Spiele mit dem Palästinenser-Terror gegen die israelische Equipe zwar tragisch endeten, die Stadt aber mit einer runderneuerten Infrastruktur hinterließen.


In Hamburg dagegen rieben sich in den Wochen vor dem sogenannten Klimavolksentscheid nicht nur journalistische Beobachter verwundert die Augen: Eine großangelegte Plakatkampagne der Befürworter des Vorziehens der Klimaneutralität  streute den Bürgern mit hübschen Fotos und verlogenen Slogans („Klimapolitik sozial, planbar und verantwortungsbewusst“) Sand in die Augen.


Kein Wort über die 40 bis 100 Milliarden, die die Stadt, die Wirtschaft und vor allem die Bürger zu stemmen haben werden, um Heizen und Wohnen, Mobilität und Stadtstruktur vorzeitig auf Null-Komma-Null CO² zu trimmen. Nichts zu den sozialen Verwerfungen, die vor allem Geringverdiener treffen werden, zur Lahmlegung der (Wirtschafts-) Verkehre mit stadtweitem Tempo 30, zu weiterer Deindustrialisierung und Blockade des Hafens. Schon gar nichts zur Nutzlosigkeit des Unterfangens, angesichts des verschwindend geringen Kohlendioxid-Ausstoßes der Hansestadt im Weltmaßstab, besonders im Verhältnis zu den drastischen Steigerungen in China oder Indien.


Und nur durch Kontrollmechanismen der Bürgerschaft ein bisschen zu den vielen hunderttausend Euro, die die Pseudo-Klima-Propaganda unter anderem mit Spenden von Öko-Organisationen aus dem Ausland und der höchst umstrittenen „Demokratie-Stiftung Campact“, einer links-grünen Anti-Industrie-Lobbygruppe aus dem Attac-Umfeld, finanziert hatte.


Vor allem aber kein Wort des Ersten Bürgermeisters, keine Kampagne von Stadtgesellschaft und Industrie gegen die wirtschaftsfeindliche Initiative. Nur am Rande eines Auslandsfluges raunte Peter Tschentscher im Hintergrund ein paar Journalisten seine Befürchtungen zu, ansonsten großes Schweigen. Angeblich wegen rechtlicher Bedenken der Rathausjuristen, was die „Einmischung“ eines Regierungschefs in die Debatte um einen wahrlich zukunftsentscheidenden Volksentscheid für Hamburg angeht – man fasst es kaum: Was vor Jahren bei Abstimmungen über eine Olympiabewerbung oder die Netzverstaatlichung noch ging, traut sich politische Führung jetzt wegen sicherlich auslegbarer Urteile nicht mehr? Ein Bürgermeister als politischer Eunuch in Grundsatzfragen? Eine Absurdität erster Güte, die nur noch dadurch überboten wird, dass der hasenfüßige Tschentscher sowas mitmacht.


Die Zukunft der Stadt hat er so in weiten Teilen verspielt, ebenso seine Koalitionspartnerin Katharina Fegebank, die aus Rücksicht auf ihre ideologisch verblendete grüne Basis bis zur Peinlichkeit herumeierte. Von der Wirtschaft gab es zwar Warnungen per Interview (IVH-Verbandschef Andreas Pfannenberg: „Sargnagel für die Hamburger Industrie“), aber eben keine Initiative für eine valide Gegenkampagne, so auch von der Opposition in der Bürgerschaft. Da half dann auch kein flammender Appell mehr, den der frühere CDU-Bürgermeister Ole von Beust im letzten Moment gegen die drohende Klima-Überregulierung richtete. Der hatte sich als Stadtchef über einen erfolgreichen Volksentscheid gegen die Privatisierung der Krankenhäuser einfach hinweggesetzt – eine mutige Entscheidung, von der Hamburg heute noch profitiert. 


Wir wagen hier mal eine Prognose: Das wird nicht das letzte Hamburger Debakel dank einer überzogenen Volksgesetzgebung bleiben – in Bayern muss die Mehrheit der Abstimmenden mindestens ein Viertel der stimmberechtigten Bevölkerung ausmachen, damit ein Volksentscheid durchkommt, in Hamburg reichen bei einfachen Gesetzen schon zwanzig Prozent Zustimmung der Wahlberechtigten zum Erfolg. Bereits im Mai 2026 droht dem Senat und der bürgerlichen Stadtgesellschaft so die nächste Niederlage: Dann sollen die Hamburger über ihre Olympiabewerbung abstimmen. Bisher antwortet Peter Tschentscher nicht mal auf einen Brief des CDU-Oppositionsführers, in dem Dennis Thering  ein gemeinsames Werben in dieser Sache vorschlägt. Und außer einem guten Dutzend Informationsveranstaltungen ist von einer Kampagne Pro-Olympia-an-der Elbe  noch nichts zu sehen. Sicher jedoch ist, dass die linksgrüne Szene auch hiergegen mobilisieren wird, wie schon erfolgreich 2015 geschehen. Ob der Rest der Stadt unter (Nicht-) Führung eines ängstlichen Bürgermeisters da noch agiert oder nicht, könnte aber angesichts des Münchner Ergebnisses sowieso egal sein: Gegen starke 66 Münchner-Prozente wird Hamburg sowieso kaum mehr ankommen – der nächste Akt des Trauerspiels vom Hamburger Stadtabstieg.

PAH