Steuerpolitischer Streit: NORDMETALL kritisiert „Klientelpolitik“ der Bundesregierung
Der Arbeitgeberverband NORDMETALL wirft der Bundesregierung vor, in einer wirtschaftlich schwierigen Lage gezielt einzelne Interessengruppen zu bevorzugen. Anlass ist ein am 5. Dezember beschlossener steuerlicher Sondervorteil für Gewerkschaftsbeiträge.
Hamburg, 8. Dezember 2025. Die Debatte um Steuer- und Arbeitsmarktpolitik spitzt sich zu: NORDMETALL kritisiert die Bundesregierung für gezielte Begünstigungen einzelner Interessengruppen, während Gewerkschaften den Kurs verteidigen und auf die Stärkung der Tarifbindung verweisen. Im Zentrum stehen steuerliche Vorteile für Gewerkschaftsbeiträge, das Bundestariftreuegesetz und die Modernisierung des Arbeitsrechts – Themen, die die Spannungen zwischen Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften deutlich machen.
„Wohltaten zulasten der Steuerzahler“
NORDMETALL-Hauptgeschäftsführer Dr. Nico Fickinger bezeichnet den Beschluss als „unangemessen“. Die Bundesregierung verteile in angespannten Zeiten „Wohltaten in Höhe von 160 Millionen Euro“, ohne breite Diskussion oder gesamtwirtschaftliche Abwägung. Der steuerliche Vorteil ermögliche Gewerkschaftsmitgliedern künftig höhere Absetzbarkeit ihrer Beiträge – aus Sicht der Wirtschaftsverbände eine fiskalische Bevorzugung eines Teils der Arbeitnehmerschaft.
Streit um Reformprioritäten
Der Verband verbindet die steuerpolitische Kritik mit grundsätzlichen Vorwürfen an die Arbeitsmarktpolitik. Während dringend notwendige Reformen ausblieben, bediene die Regierung auf Druck der SPD „Einzelinteressen der Gewerkschaften“. Besonders die im Koalitionsvertrag vereinbarte Modernisierung des Arbeitsrechts – etwa flexiblere Wochenarbeitszeiten – komme nicht voran, obwohl sie aus Sicht der Arbeitgeber entscheidend für Wettbewerbsfähigkeit und Standortstärkung wäre.
Bundestariftreuegesetz im Fokus
Zusätzliche Kritik richtet sich gegen das geplante Bundestariftreuegesetz, das öffentliche Aufträge an tarifgebundene Unternehmen knüpft. Fickinger nennt das Vorhaben ein Produkt „freund-feindlicher Logik“ und warnt vor Bürokratie und Eingriffen in die unternehmerische Freiheit – ein Problem in einer Wirtschaftssituation, die von Rezession, Standortkrise und Beschäftigungsabbau geprägt sei.
Gewerkschaften weisen die Kritik zurück. Sie betonen, dass der steuerliche Vorteil für Mitgliedsbeiträge die Tarifbindung stärkt, ein zentrales Stabilisierungselement des Arbeitsmarkts. Starke Tarifverträge sorgten für faire Löhne, planbare Arbeitsbedingungen und mehr Kaufkraft – Faktoren, die gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten konjunkturell wichtig seien. Auch das Bundestariftreuegesetz verteidigen sie: Es verhindere, dass öffentliche Aufträge an Unternehmen vergeben werden, die Löhne drücken oder Sozialstandards unterlaufen. Das erhöhe Qualität und schütze seriöse Betriebe vor Billigkonkurrenz. Bei der Arbeitszeitdebatte argumentieren Gewerkschaften, Flexibilisierung dürfe nicht zulasten der Beschäftigten gehen. Feste gesetzliche Grenzen seien Schutz vor unbezahlter Mehrarbeit und gesundheitlicher Belastung. Notwendige Flexibilität sei bereits über Tarifverträge möglich – allerdings unter klaren Bedingungen.
Die Wortmeldung reiht sich ein in eine breitere Kritik an hoher Steuer- und Abgabenlast, langsamen Genehmigungsverfahren, fehlender Digitalisierung und ausbleibender Entbürokratisierung. Viele Unternehmen beurteilen Investitionen zunehmend zurückhaltend und zweifeln an der Standortattraktivität.
Forderung nach „Reformpolitik für alle“
NORDMETALL fordert eine gesamtwirtschaftlich orientierte Reformagenda, die eine Modernisierung des Sozialstaats, eine Liberalisierung der Arbeitszeitvorschriften sowie steuerliche Entlastungen für Unternehmen umfasst. Gewerkschaftsnahe Institutionen halten dem entgegen, dass starke Tarifbindung und sozialstaatliche Sicherung zentrale Voraussetzungen für Stabilität und Kaufkraft seien – und damit langfristig wirtschaftlich sinnvoll.
Der steuerliche Vorteil für Gewerkschaftsbeiträge entwickelt sich damit zum Symbolfall eines tieferen Konflikts zwischen der Ampelkoalition und der Wirtschaft. Ob die Bundesregierung ihren Kurs anpasst, wird entscheidend für das zukünftige Verhältnis zwischen Politik, Verbänden und Gewerkschaften.
JM/NW
