Unruhige See, stabile Kurse: Deutsche Schifffahrt trotzt globalen Krisen
PwC-Reederstudie 2025: Trotz geopolitischer Spannungen, Handelskonflikten und Sicherheitsrisiken bleiben deutsche Reedereien optimistisch – doch die Weltmeere werden zum Risiko-Faktor.
Hamburg, Oktober 2025 – Ob Handelskriege, blockierte Seewege oder die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus: Die Weltmeere sind zum Spiegelbild einer zunehmend zerrissenen Weltwirtschaft geworden. Während die internationale Schifffahrt unter geopolitischen Verwerfungen leidet, zeigt sich die deutsche Branche erstaunlich robust. Neun von zehn deutschen Hochseereedereien (93 Prozent) melden derzeit Vollauslastung – und 58 Prozent rechnen in den kommenden zwölf Monaten sogar mit weiterem Umsatzwachstum. Das zeigt die 17. Reederstudie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland, die 113 Entscheider:innen aus deutschen Hochseereedereien befragt hat.
Globale Unsicherheit als ständiger Begleiter
Trotz der positiven Zahlen blickt die Branche auf unsichere Zeiten. 91 Prozent der Befragten befürchten negative Auswirkungen der Trump-Administration auf die deutsche Schifffahrtsindustrie, 56 Prozent sehen die Lage bereits „schlimmer als erwartet“. Mehr als jede:r Zweite (51 Prozent) glaubt sogar, dass es „global keinen rechtssicheren Rahmen mehr für wirtschaftliches Handeln“ gibt. „Die Unsicherheiten prägen zunehmend die Weltwirtschaft. So sind beispielsweise politische Entscheidungen in den USA schwerer zu prognostizieren. Das erschwert langfristige Planungen und hemmt den internationalen Handel“, sagt Burkhard Sommer, Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums von PwC Deutschland. Die Folge ist laut Studie eine geopolitische Neuordnung: 90 Prozent der Führungskräfte erwarten eine Verschiebung von Schutzzonen und Einflusssphären, 81 Prozent befürchten, dass Handelskriege und Embargos die Schifffahrt beeinträchtigen werden.
Konflikte auf See: Das Rote Meer bleibt gefährlich
Die Seewege selbst sind zum geopolitischen Brennpunkt geworden. Im Juli 2025 griff die Huthi-Miliz erneut Handelsschiffe im Roten Meer an – einer der wichtigsten Routen zwischen Asien und Europa. Entsprechend hoch schätzen die Reedereien die Gefährdungslage ein: Im Schnitt bewerten sie diese mit 7,1 Punkten auf einer Skala von 0 bis 10. „Zum einen scheint ein Gewöhnungseffekt einzutreten; die Gefährdungslage wird zur Normalität. Zum anderen haben die meisten Hochseereedereien Strategien entwickelt, um brenzlige Situationen zu umschiffen“, sagt Dr. André Wortmann, ehemaliger Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums und Mitherausgeber der Studie. So meiden 61 von 62 Reedereien das Rote Meer inzwischen aktiv – und nehmen dafür Umwege etwa um das Kap der Guten Hoffnung in Kauf. Diese Alternativrouten sind teurer und riskanter, wirken aber Überkapazitäten entgegen. 86 Prozent der Reedereien stimmen der Aussage zu, dass es ohne die Störungen im Roten Meer mehr Überkapazitäten und stärkeren Druck auf die Frachtraten gäbe.
Wachsende Sicherheitsbedenken und neue Anforderungen an die Politik
Das Vertrauen in die Schutzfunktion der USA schwindet. 52 Prozent der Reedereien erwarten, dass sich die Vereinigten Staaten künftig weniger am Schutz der internationalen Schifffahrt beteiligen werden. Entsprechend wächst das Sicherheitsbedürfnis: 40 Prozent sehen ihr Geschäft durch unzureichende Schutzstrukturen beeinträchtigt, 73 Prozent berichten von bereits spürbaren negativen Auswirkungen. Die Branche fordert daher mehr Engagement der Bundesregierung und der Bundesmarine. 92 Prozent sprechen sich für eine stärkere Seeraumüberwachung aus, ebenso viele für den besseren Schutz maritimer Infrastruktur – von Häfen über Offshore-Windparks bis zu Unterwasserleitungen. 84 Prozent wünschen sich, dass die Marine befähigt wird, deutsche Schifffahrtsrouten aktiver zu schützen. Dass unbemannte Waffensysteme künftig an Bedeutung gewinnen, halten 96 Prozent der Befragten für sicher.
Trotz allem: Optimismus auf den Brücken der Reedereien
Trotz globaler Krisen und wachsender Risiken blicken die deutschen Reedereien nach vorn. 78 Prozent erwarten, dass das weltweite Ladungsaufkommen mittelfristig weiter zunehmen wird. Nur 36 Prozent befürchten einen Rückgang durch Zölle oder Handelsbarrieren.
Die Investitionsbereitschaft ist entsprechend hoch: 76 Prozent der Unternehmen planen, in den kommenden zwölf Monaten neue Schiffe zu bestellen oder Gebrauchtschiffe zu kaufen. „Die Fokussierung auf den Kauf neuer Schiffe liegt auch darin begründet, dass sich die deutsche maritime Industrie neu aufstellen muss, um regulatorische Vorgaben wie internationale Umweltauflagen zu erfüllen“, so PwC-Experte Sommer.
Unklar bleibt jedoch die Frage nach dem richtigen Antrieb: 70 Prozent der Reedereien würden mehr investieren, wenn klar wäre, welche Technologie sich durchsetzt. Aktuell gelten Methanol, LNG und Biodiesel als Favoriten auf der Langstrecke, während Strom vor allem im Kurzstreckenverkehr wieder an Bedeutung gewinnt. „Die Branche braucht mehr Planungssicherheit, um vorausschauend in neue Schiffe investieren zu können“, fasst Sommer zusammen.
Kurs halten in stürmischen Zeiten
Die PwC-Reederstudie 2025 zeigt: Die deutsche Schifffahrt behauptet sich in einer Welt voller Krisen. Doch der Kurs bleibt riskant. Zwischen geopolitischen Machtspielen, wachsender Unsicherheit und der Transformation zu klimafreundlichen Antrieben muss die Branche mehr denn je navigieren – auf einer See, die längst nicht mehr ruhig ist.
Quelle: PwC
JM/NW
