Unternehmen reagieren auf Handelskonflikte: Lieferketten im globalen Umbruch

Eine Studie von Allianz Trade zeigt: Zölle treiben Firmen weltweit zur Neuordnung ihrer Handelsströme. Ohne Diversifizierung wären die Belastungen noch deutlich höher.

Hamburg, 12. September 2025. Handelskonflikte sind längst keine bilaterale Angelegenheit mehr – sie betreffen Unternehmen weltweit und zwingen sie, ihre Lieferketten neu auszurichten. Eine aktuelle Studie von Allianz Trade verdeutlicht, wie Firmen durch agile Anpassungen steigende Zölle abfedern. Während die USA und die EU über ein Abkommen verhandeln, verschieben Unternehmen ihre Handelsströme zunehmend nach Südostasien, Indien oder Taiwan. Doch der Spielraum für weitere Ausweichbewegungen ist begrenzt – und die Unsicherheit bleibt.

Keine (Sommer-)Pause im Handelskrieg: Auch wenn sich die Europäische Union (EU) und die USA zuletzt auf ein Abkommen geeinigt haben, schießen andernorts neue Zollankündigungen aus dem Boden. Der effektiv erhobene durchschnittliche US-Zollsatz lag im Juli mit 10 Prozent zwar niedriger als erwartet (13 Prozent), dürfte aber nach aktuellen Schätzungen des weltweit führenden Kreditversicherers Allianz Trade in Zukunft auf rund 14 Prozent steigen. Dass dieser Wert nicht noch höher ausfällt, liegt daran, dass Unternehmen ihre Lieferketten diversifizieren.


„Die ständigen Veränderungen bei den Zöllen hält die Unternehmen weltweit in Atem und die Unsicherheit ist gekommen, um zu bleiben“, sagt Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Allerdings sitzen die Unternehmen nicht untätig da, sondern suchen aktiv nach alternativen Lösungen. Dadurch verschieben sich Handelsströme und Lieferketten.“


US-Unternehmen importierten beispielsweise deutlich weniger aus China (9 Prozent der Gesamtimporte im Juli 2025 gegenüber 14 Prozent im Jahr 2024). Gleichzeitig stieg der Anteil von Importen aus Südostasien, Indien und Taiwan von 17 Prozent im Vorjahr auf 24 Prozent. Ohne diese Verlagerung läge der durchschnittliche US-Zollsatz bei 17 Prozent.


Begrenzte Möglichkeiten für weitere Ausweichstrategien


„Allerdings ist der Spielraum für eine weitere Diversifizierung der Lieferketten ohne größere Investitionszusagen begrenzt“, warnt Ana Boata, Head of Economic Research bei Allianz Trade. „Außerdem stehen weitere Produkte auf der US-Untersuchungsliste. Sollten bei diesen bis zum Jahresende deutlich höhere Zölle beschlossen werden, könnte der durchschnittliche US-Zollsatz noch weiter steigen. Schon jetzt ist es eine große Belastung für die Unternehmen – und eine Verschnaufpause ist nicht abzusehen.“


EU im Fokus: Chancen und Risiken zugleich


Der effektive US-Zollsatz für Importe aus der EU liegt derzeit bei 13 Prozent (gegenüber 10 Prozent im Juni und 1 Prozent im Jahr 2024). Er könnte auf durchschnittlich 12 Prozent sinken, wenn das geplante Handelsabkommen in Kraft tritt. Es sieht unter anderem eine Senkung der US-Zölle auf europäische Autos von 27,5 Prozent auf 15 Prozent vor – ein entscheidender Faktor für die exportorientierte Automobilbranche.


„Die Genehmigung des Abkommens dürfte den europäischen Unternehmen möglicherweise helfen, die in diesem Jahr bisher verlorenen Marktanteile in den USA (-2 Prozentpunkte) zurückzugewinnen, insbesondere bei Flugzeugen und Flugzeugteilen sowie Halbleiterausrüstung“, so Boata. „Vor allem aber für die europäischen Automobilhersteller wäre es eine große Erleichterung, da die wirtschaftliche Unsicherheit und die neuen Zölle in der ersten Hälfte des Jahres 2025 zu einem deutlichen Rückgang der europäischen Autoexporte geführt hatten.“


Die Risiken bleiben dennoch hoch: Laut der jüngsten Branchenrisikoanalyse von Allianz Trade stiegen die Risiken im Automobilsektor weltweit im ersten Halbjahr 2025. Die deutschen Autoexporte in die USA sanken um 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Selbst bei einem Zollsatz von 15 Prozent liegen die Belastungen für die Hersteller noch deutlich über dem früheren Niveau von 2,5 Prozent.

Quelle: Allianz Trade
Bearbeitet: JM/NW