Von Singapur lernen
Von: Peter Axel Haas
Im fernen Singapur konnte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher noch etwas lernen: Nämlich wie ein Bonsai-Staat seinen Hafen mit Milliarden-summen extrem modern hält und so zum zweitgrößten Umschlagplatz der Welt aufgestiegen ist.
Hamburg, 27. September 2024. Wenn Hamburg nicht 80 Prozent seines Steueraufkommens an den Bund überweisen müsste, würde es da mithalten können, sinnierte der Peter Tschentscher während seines Asien-Tripps, den er in diesen Tagen mit großen Wirtschafts- und Journalistentross absolviert. Dumm nur, dass der Hamburger Hafen mittlerweile abgeschlagen auf Platz 23 des weltweiten Port-Rankings gesunken ist. Und Besserung nicht wirklich in Sicht ist: Die sogenannte nationale Hafenstrategie des Bundes ist das Papier kaum wert, auf dem sie steht. Hamburgs Kaikanten werden gerade mal mit 38 Millionen Euro aus Berlin subventioniert, was angesichts der maroden Infrastruktur nicht ansatzweise ausreicht.

Der Bürgermeister ist offenbar nicht in der Lage, seinen jetzt im Kanzleramt thronenden Vorgänger davon zu überzeugen, hier kräftig nachzulegen. Weshalb sich Rot-Grün gegen den erbitterten Widerstand von Hafenarbeitern, Reedern und der Bürgerschaftsopposition bekanntlich in die Arme der schweizerisch-italienischen MSC-Group geflüchtet hat, die nach Erhalt von knapp der Hälfte des Hafenkonzerns HHLA massiv investieren soll – Straßen, Brücken, Kaianlagen im größten deutschen Industriegebiet könnten so wieder auf Vordermann gebracht werden, so die Senats-Hoffnung.
Dass dieser erhebliche Einflußgewinn von MSC in Hamburg auch den asiatischen Reeder nicht behagt, durfte Tschentscher in Singapur und während der Vorlaufstationen in Korea ausführlich zu hören bekommen haben. Dass er deren Zweifel am Erhalt einer halbwegs fairen Gleichbehandlung aller internationalen Player des Logistik-Business im größten deutschen Hafen zerstreuen konnte, ist nicht zu erwarten. Und so wird der Erste Bürgermeister inklusive Delegation in den nächsten Tagen ohne große Erfolge im Gepäck an die Elbe zurückkehren, um hier mit der nächsten Problemlage konfrontiert zu werden: Den nach den Landtagswahlen im Osten deutlich gesunkenen Aussichten auf Erhalt seiner rot-grünen Koalition im Rathaus.
Zwar sind es noch fast sechs Monate bis zur Bürgerschaftswahl am 2. März 2025. Jedoch ist klar, dass sich die Kriege und Krisen auf der Welt bis dahin kaum verflüchtigen werden, im Gegenteil. AfD und BSW werden von der Unsicherheit vieler Wähler auch in Hamburg profitieren - nicht so stark wie im Osten, aber mit Aussicht auf zweistellige Prozentwerte, vor allem für die Rechtspopulisten, prophezeien Demoskopen. Falls die FDP sich tatsächlich Mitte November im Streit um Haushaltsmittel, Rentenpaket und ein drohendes „Bundestariftreuegesetz“ aus der Regierung verabschieden sollte, könnte ein Bundestags-Wahltermin im Umfeld der Hamburger Abstimmung die Folge sein. Landespolitik würde überlagert, auch das kein gutes Omen für Tschentscher angesichts der schwachen Werte für SPD und Grüne in nationalen Umfragen.
Und selbst wenn sich die Ampel bis zur regulär für den nächsten September angesetzten Bundestagswahl weiterschleppt, dürfte ihr Dauergezänk nicht hilfreich sein. Genau wie die schlechte wirtschaftliche Lage: Im ersten Halbjahr 2023 hatte Hamburg noch ein gutes Ranking unter den 16 Ländern beim Bruttosozialprodukt. Angesichts der massiv einbrechenden Industrieproduktion in Deutschland dürfte jedoch auch die Ein- und Ausfuhr-Tonnage im Hamburger Hafen sinken, erwarten Experten – noch ein Grund warum viele Wahlbürger geneigt sein dürften, kein „Weiter so“ im Hamburger Rathaus zu wollen.
Als Strategie gegen diese schlechten Wahlaussichten ist dem Ersten Bürgermeister bisher nur eines eingefallen: Sich mit einer Koalitionsaussage auf Rot-Grün festzulegen. Abgesehen davon, dass die Hamburger Grünenspitze bemerkenswerterweise genau das nicht tut, fragen sich Beobachter: Warum kettet Tschentscher sein politisches Schicksal und das der Elb-SPD ausgerechnet an jene Öko-Partei, deren Beliebtheitswerte im drastischen Sinkflug sind? Hinter vorgehaltener Hand spotten führende Rathaus-Sozialdemokraten, dass ihrem Spitzengenossen einfach nichts anderes eingefallen sei. Gut möglich, dass sich Tschentscher nach dem 2. März dennoch einen anderen, möglichweise sogar zwei weitere Koalitionspartner suchen muss – die CDU stände bereit, BSW und Linke kämen aus Sicht des linken SPD-Flügels auch in Frage. Und eben so gut möglich, dass der Erste Bürgermeister dann mit Wehmut an Singapur denkt: Da regiert seit Jahrzehnten die „Peoples Action Party“ autokratisch durch, mit Wahlergebnissen zwischen 60 und 99 Prozent.