Wechselwochen zur CDU

Wenn Abgeordnete die Seiten wechseln. Eine Betrachtung von Peter Axel Haas.

Hamburg, im Juli 2024. Mitte Juli haben sie begonnen, die Schulferien in Hamburg oder Berlin. Wie alljährlich folgen die Baden-Württemberger erst Ende Juli. Doch allen drei Ländern ist diesmal ein Phänomen gemein, dass kurz vor der Sommerpause die Politik aufscheucht: Wechselwochen unter Parlamentariern, weg von den Ampel-Parteien, hin zur CDU.   


Den Anfang machte Ende Juni die Grünen-Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen: Die 30jährige Mannheimerin verließ die Ökos und wechselte zur CDU/CSU-Fraktion. „Debattenkultur, die auch unbequeme Realitäten benennen kann und in der Menschen für ihre Meinungen oder ihre Sorgen nicht in Schubladen gesteckt werden“, das erwarte sie bei der Union, so die Politikern mit türkischen Wurzeln. Im Umkehrschluss darf man folgern: Bei den Grünen ist es mit der Debattenkultur wohl gerade nicht so weit her. Kein Wunder, derzeit kulminiert zwischen Realos und linkem Flügel ein giftiger Streit über die Ursachen für die miesen Wahl-und Umfrageergebnisse in diesem Sommer: 11,9 Prozent bei der Europawahl, genauso wenig in den bundesweiten Umfragen, in Baden-Württemberg nur noch 19 statt der fast 33, die der demnächst aus dem Amt scheidende Ministerpräsident Winfried Kretschmann zuletzt an der Wahlurne geholt hatte – da werden die Diskussionen nervöser zwischen denjenigen, die mehr Mitte-Verortung und Kompromissbereitschaft fordern und denen, die sich Linksgrün-pur mit maximalem Klimaschutz und mehr Zumutungen für die Bürger erträumen.


Vor den Hardcore-Fundis unter den Grünen und ihrer knallharten Diskriminierung besonders Hamburger Autofahrer durch überteuerte, stauerzeugende und klimaschädliche Straßenverengung, massenhafte Parkplatzvernichtung oder hochpreisiges „Anwohnerparken“ floh Mitte Juli auch eine ehemalige grüne Bezirksabgeordnete: Aramak Erk, die immerhin 11 Jahre für die Eimsbütteler Ökos in der Bezirksversammlung saß, wechselte ebenfalls zur CDU. Sogar gemobbt fühlte sie sich bei den Grünen, weil sie den „einseitigen Kampf gegen das Auto“ in dieser extremen Form nicht mittragen wollte, so die 50jährige. Ihre klimaideologisch verblendeten Ex-Parteifreunde werden den Anti-Auto-Kreuzzug in der grünen Hochburg sicher trotzdem weiterführen.


Aufkündigen dagegen wollen viele Freie Demokraten die unpopuläre Berliner Ampel-Regierung: Schon der Mitgliederentscheid zu Jahresbeginn ergab nur eine knappe Mehrheit unter den Parteimitgliedern für den Verbleib in der ungeliebten Koalition. Von der gefährlich-sorglosen Cannabis-Freigabe bis zum unverantwortlichen Transgendergesetz , vom mühsamen Haushaltkompromiss mit völliger Vernachlässigung der dringend nötigen Bundeswehr-Aufrüstung bis zum drastisch überdehnten Bürgergeld, von der fahrlässigen Idee einer Steuerermäßigung für ausländische Fachkräfte bis zum versprochenen, aber nicht stattfindenden Bürokratieabbau – die Liste der liberalen Enttäuschungen gegenüber ihrem bürgerlich wirtschaftsnahen Kernklientel ist mittlerweile endlos.


Nicht nur Wähler aus diesen Kreisen wenden sich ab, wie die vier bis fünf Prozent-Umfragen der letzten Wochen und Monate zeigen. Auch unabhängige Geister unter den FDP-Mandatsträgern  ertragen diese falsche Politik immer weniger - da hilft selbst die Dauer-Ausrede nicht mehr, man habe in Berlin angeblich das Schlimmste verhindert.

Anna von Treuenfels-Frowein, seit 2011 FDP-Abgeordnete in der Hamburgischen Bürgerschaft, ist bisher die prominenteste Hamburger Wechslerin zur CDU: Mitte Juli freute sich Partei- und Fraktions-Chef Dennis Thering über den „Coup“, die prominente 62jährige Ex-FDP-Spitzenkandidatin in die Reihen der Elb-Union geholt zu haben.  Für Listenplatz zwei zur nächsten Bürgerschaftswahl will der immer smarter auftretende CDU-Frontmann die ehemalige FDP-Fraktionschefin Anfang September den Parteitagsdelegierten vorschlagen, die Wahl gilt als sicher.


Welche führende Rolle Treuenfels-Frowein dann nach der Bürgerschaftswahl im nächsten März in einer wohl erstarkten CDU-Fraktion oder bei Unions-Regierungsbeteiligung sogar im Senat spielen könnte, wird sich noch zeigen. Sicher scheint jedoch, dass sie ihrer alten Partei keine Träne nachweinen muss: Die Führungsgremien hatten die lange Zeit einzige FDP-Bürgerschaftsabgeordnete nicht nur ignoriert sondern aktiv aus der Arbeit in der Parteispitze ausgegrenzt. Das konnte und wollte sich Hamburgs bekannteste Liberale nicht bieten lassen. In der geschlossen auftretenden Hamburger CDU wird sowas kaum passieren. Die intern nach wie vor völlig zerstrittenen Hamburger Liberalen dagegen dürften sich nach der nächsten Bürgerschaftswahl vom 2. März 2025 wohl in der außerparlamentarischen Opposition wiederfinden, wenn man letzten Umfragen folgt. Ab dem 10. März sind dann Osterferien in Hamburg – Zeit zum Nachdenken, auch über weitere Parteiwechsel.