Was Hamburgs neuer Koalitionsvertrag für Unternehmen bedeutet

NORDMETALL: „Weiter so statt echtem Neuanfang“ 

Hamburg, 24. April 2025. Die Koalitionsverhndlungen zwischen der Hamburger SPD und den Hamburger Grünen ist bgeschlossen. Mit dem neuen Koalitionsvertrag setzen SPD und Grüne ein klares Zeichen: Die Hansestadt soll in den kommenden Jahren zu einem führenden Standort für klimafreundliche Innovation und nachhaltiges Wachstum werden. Für Unternehmen bedeutet das Chancen – aber auch Anforderungen.


Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) lobte die Fortsetzung der rot-grünen Koalition als „verlässlichen Kurs für Hamburgs Zukunft“. Die Zusammenarbeit mit den Grünen habe sich bewährt, besonders bei Schlüsselthemen wie Infrastruktur, Mobilität und Wohnungsbau. Die neue Vereinbarung baue auf diesem Fundament auf und setze klare Schwerpunkte für die kommenden Jahre.


Auch Katharina Fegebank (Grüne), Zweite Bürgermeisterin, sprach von einem „starken Signal der Stabilität“. Der Koalitionsvertrag sei Ausdruck einer gemeinsamen Vision, die Hamburg sozial, ökologisch und wirtschaftlich weiter voranbringen solle. Sie zeigte sich überzeugt, dass der neue Senat mit Rückenwind in die nächste Legislatur startet.

Hamburg bekennt sich im Vertrag klar zur Transformation der Wirtschaft: Dekarbonisierung, Digitalisierung und Diversifikation stehen im Zentrum. Die Industrie soll ökologischer werden – mit gezielten Investitionen in Wasserstofftechnologie, Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Logistik. Der Hafen, traditionell das wirtschaftliche Herz Hamburgs, soll mit dem Projekt „Innovationshafen 2040“ fit für die Zukunft gemacht werden.


Im Detail heißt das: klimaneutrale Produktionsprozesse werden künftig verstärkt gefördert, ebenso wie der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft – unter anderem durch Mittel der Europäischen Union. Die Ansiedlung und Unterstützung von Start-ups  und Unternehmen im Bereich grüner Technologien steht ebenso auf dem Programm wie eine stärkere Förderung von Forschung und Technologietransfer in Kooperation mit den Hamburger Hochschulen.


Der Hafen im Fokus – modern, digital, effizient


Mit dem „Innovationshafen 2040“ will die Koalition den Spagat zwischen Tradition und Zukunft schaffen. Digitale Prozesse, saubere Energie und eine bessere Vernetzung der Logistikketten sollen Hamburg als führenden Logistikstandort in Europa absichern. Konkret wird dafür der digitale Ausbau der Hafeninfrastruktur vorangetrieben. Gleichzeitig sollen emissionsfreie Schiffsantriebe gefördert und durch internationale Kooperationen – etwa mit Partnerhäfen oder Technologiefirmen – innovative Lösungen beschleunigt umgesetzt werden.


Fachkräftesicherung und Bildung als Schlüssel


Im Angesicht des zunehmenden Fachkräftemangels setzen SPD und Grüne verstärkt auf Qualifizierung und internationale Zuwanderung. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass Unternehmen stärker mit Berufs- und Hochschulen vernetzt werden, beispielsweise über duale Studiengänge und praxisnahe Ausbildungsinitiativen. Zugleich sollen Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse vereinfacht und beschleunigt werden. Unternehmen können darüber hinaus mit staatlicher Unterstützung für betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen rechnen. Auch der Ausbau digitaler Lernformate ist fester Bestandteil des Bildungskonzepts.


Mobilität und Infrastruktur – Investitionen mit Hebelwirkung


Die Mobilitätswende wird auch aus unternehmerischer Sicht als zentrales Infrastrukturprojekt verstanden. Vorgesehen sind umfangreiche Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, insbesondere in die Taktverdichtung und Netzerweiterung. Darüber hinaus soll die bislang stark genutzte Köhlbrandbrücke durch einen Tunnel ersetzt werden, um den Warenverkehr künftig effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Die geplanten Maßnahmen beinhalten außerdem eine bessere Anbindung von Gewerbestandorten, eine intelligentere Verkehrssteuerung zur Reduzierung von Lieferengpässen sowie gezielte Förderprogramme für betriebliche Elektromobilität und Ladeinfrastruktur.


Hamburg will sich mit diesem Koalitionsvertrag als Standort für nachhaltiges, innovationsorientiertes Wachstum positionieren. Unternehmen, die bereit sind, in grüne Technologien und moderne Prozesse zu investieren, werden, so das Ziel, von dieser politischen Linie profitieren. Gleichzeitig steigt der Erwartungsdruck, sich aktiv an der ökologischen und digitalen Transformation zu beteiligen. Für Unternehmerinnen und Unternehmer bedeutet das: Wer frühzeitig auf Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Energieeffizienz setzt, wird vom neuen Kurs der Hansestadt profitieren – sowohl durch neue Märkte als auch durch politische und finanzielle Unterstützung.

"Es fehlt der Mut zu einem echten Neustart"

Dr. Nico Fíckínger, Hauptgeschäftsführer der norddeutschen Arbeitgeberverbände NORDMETALL und AGV NORD, zeigt sich vom Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Hamburg enttäuscht: „Seit zehn Jahren versprechen die bekannten Koalitionäre, Hamburg zu einer modernen und wirtschaftsstarken Stadt zu machen. Doch trotz massiver Mängel, etwa bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten und der Baustellenkoordination, setzt Rot-Grün mehrheitlich auf ein Weiter so – inhaltlich und personell. Das ist zu wenig, um Hamburg in schwierigen Zeiten als Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig zu halten. SPD und Grünen fehlt der Mut zu einem echten Neustart.“ 

 

Als bedeutsame Neuerung hebt der Arbeitgebervertreter hervor, dass künftig die Senatskanzlei immerhin die Planungsbeschleunigung zentral koordinieren will. „Bürokratieabbau ist in Hamburg endlich Chefsache. Damit hebt sich der neue Koalitionsvertrag wohltuend von früheren Vereinbarungen ab. Nun müssen der in Aussicht gestellte Abbau von Berichts- und Dokumentationspflichten sowie die vereinfachten und reduzierten Umweltverträglichkeitsprüfungen auch tatsächlich kommen“, fordert Fíckínger. 

 

 „Wenn SPD und Grüne die Sozialpartnerschaft im Koalitionsvertrag vollmundig als tragende Säule für den gesellschaftlichen Frieden bezeichnen, sollten sie konsequenterweise auch die Tarifautonomie respektieren und es Arbeitgebern und Gewerkschaften überlassen, die Arbeitsbedingungen eigenständig zu regeln“, so Fíckínger weiter. „Eine neue ,Gute-Arbeit‘-Kampagne, Tariftreuegesetze und Mindestlöhne widersprechen diesem Ziel. Wir hoffen sehr, dass unter Senatorin Dr. Melanie Leonhard die neu zugeschnittene Behörde für Wirtschaft, Arbeit und Innovation die Misstrauenskultur gegenüber den Unternehmen, die der Koalitionsvertrag an dieser Stelle noch atmet, beendet und die Hamburger Industrie als unerlässlichen Partner für Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit anerkennt.“ 


Anders Prof. Norbert Aust, Präses der Handelskammer Hamburg: „Der Koalitionsvertrag beschreibt sehr genau, wie wir in Hamburg leben wollen. Die Antworten, wovon wir leben wollen, bleiben vage. Gerade vor dem Hintergrund weltweiter Krisen und des strukturellen Reformbedarfs in Deutschland: Wir stehen für eine konstruktive Zusammenarbeit zur Stärkung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit bereit.“


DIE FAMILIENUNTERNEHMER in Hamburg werten Koalitionsvertrag als „moderaten Aufbruch“. Landesvorsitzender Sven Höppner: „SPD und Grüne setzen richtige Schwerpunkte, dennoch fehlt es an Ambition.“

 

Der gestern vorgestellte Koalitionsvertrag von SPD und Grünen enthält aus Sicht der Familienunternehmer viele richtige Ankündigungen, auch wenn es in Teilen noch an Ambitionen und konkreten Zielen mangelt. 

 

Der Landesvorsitzende Sven Höppner: „Wir begrüßen den klaren Fokus auf Bürokratieabbau und Planungsbeschleunigung. Beides ist elementar, um Hamburgs Verwaltung schneller und beweglicher zu machen. Auch die geplante Stärkung des Wissenschafts- und Technologiestandorts ist ein positives Signal an alle innovativen Betriebe, die sich hier ansiedeln oder wachsen wollen. Doch leider mangelt es im gesamten Vertrag an Verbindlichkeit. Konkrete Zielzahlen, Zeitpläne oder messbare Erfolgsindikatoren fehlen leider oft. Umso mehr kommt es auf den politischen Willen zur Umsetzung an.

 

Das klare Bekenntnis zum Bau der A26 und damit zur Verkehrsentlastung sorgt bei vielen Bürgern und Unternehmern für Erleichterung. Auch der Masterplan Parken nährt die Hoffnung, dass die Koalition endlich wieder den Wirtschaftsverkehr in den Blick nimmt – ein notwendiges Signal an Handwerk, Logistik und Dienstleister in der Stadt.

 

Trotz der Aufbruchssignale hätten wir uns mehr Mut bei der wirtschaftlichen Entlastung gewünscht. Hamburgs Betriebe tragen eine der höchsten Gewerbesteuerlasten im Bundesvergleich – an dieser Stelle und darüber hinaus braucht es deutlich mehr Engagement, um Investitionen zu ermöglichen und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.“


Für den Präsidenten der Handwerkskammer Hamburg, Hjalmar Stemmann, hat der Koalitionsvertrag „ein bisschen Licht, aber auch viel Schatten“.

„Was bereits auf den ersten Blick deutlich wird: Große neue Entwürfe und innovative Wege für mehr Wettbewerbsfähigkeit, gerade mit Blick auf den handwerklichen Mittelstand, stehen nicht im Zentrum der Vereinbarungen. Hier finden wir eher Bekanntes – und da, wo Dinge sich bewährt haben, ist das ja auch erstmal gut.“ 


Kritik erfolgt bei der Frage des Wirtschaftsverkehrs und hier insbesondere die Parksorgen von Gewerbetreibenden. Diese, so Stemmann, spiele im Text eine untergeordnete Rolle. Der angekündigte „Masterplan Parken“ ist begrüßenswert – aber entscheidend sind natürlich am Ende konkrete politische Weichenstellungen: „Wir verlassen uns zum Beispiel darauf, dass sich der Senat wie zuvor angekündigt in Berlin massiv für eine bundesgesetzliche Erweiterung des Bewohnerparkens auf das Gewerbe einsetzt.“


Stemmann begrüßt das klare Ja des Vertrags zu einer frühen und effektiven Berufsorientierung in allen weiterführenden Schulen, also auch in den Gymnasien: "Auch dass die Politik nun bis 2030 500 Azubi-Wohnplätze mehr plant als im letzten Koalitionsvertrag, freut uns. Wichtig ist hier, mehr und schneller als in der zurückliegenden Legislaturperiode ins Verwirklichen zu kommen.


Beim Thema Innovation findet das Handwerk nicht statt – dieses Defizit ist im Rathaus zwar nichts Neues, wird aber mit der Zeit nicht besser. Was fehlt, ist eine funktionierende Förderlandschaft für kleinteilige betriebliche Innovationen, ein Transformations-Booster."





JM/NW