HanseMerkur Preis für Kinderschutz 2025:
Chancengleichheit beginnt mit einem sicheren Ort
NORD WIRTSCHAFT stellt in wöchentlicher Reihenfolge alle Preisträger vom 7. Oktober 2025 auf ihrer website vor: Diese Woche: das „Mädchenprojekt Zukunft“ des Handwerkerinnenhaus Köln e.V
Köln/ Hamburg, Oktober 2025. Perspektivlosigkeit, Schulverweigerung, familiäre Krisen – wenn junge Mädchen aus dem Bildungssystem herausfallen, braucht es Engagement, Mut und einen geschützten Raum, um neue Wege zu ebnen. Genau dieses Angebot macht das „Mädchenprojekt Zukunft“ des Handwerkerinnenhauses Köln e.V. mit seinem dreigliedrigen Programm. Für seinen langjährigen Einsatz gegen Bildungsbenachteiligung und zur Stärkung von Mädchen in schwierigen Lebenslagen wird das Projekt mit dem HanseMerkur Preis für Kinderschutz ausgezeichnet. Der Verein erhält einen Anerkennungspreis in Höhe von 20.000 Euro zur weiteren Förderung seiner Arbeit.
Ein innovatives Konzept für schulmüde Mädchen
Seit 1998 unterstützt das Handwerkerinnenhaus Köln mit dem „Mädchenprojekt Zukunft“ gezielt Schülerinnen, die aus verschiedenen Gründen vom regulären Schulalltag entkoppelt sind. Manche sind durch jahrelange Abwesenheit faktisch aus dem System verschwunden. Die Ursachen reichen von psychischen Belastungen über familiäre Krisen bis hin zu Schulmobbing und Perspektivlosigkeit. Die Antwort des Handwerkerinnenhauses auf diese Herausforderung ist ein innovatives, ressourcenorientiertes Konzept: die Verbindung von handwerklicher Praxis, individueller Förderung und stabilisierender Sozialarbeit.
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Drei Bausteine mit starker Wirkung
Im Herzen von Köln-Nippes, in einer kleinen Holzhaus-Siedlung, finden die Mädchen nicht nur Werkstatträume, sondern auch einen geschützten sozialen Raum. In drei thematisch unterschiedlichen Bausteinen – „Pfiffigunde“, „Kneifzange“ und „Holly Wood“– begegnet ihnen ein niedrigschwelliges Angebot, das Freude am Lernen vermittelt und gleichzeitig die Weichen für die berufliche Zukunft stellt.
Pfiffigunde: Theorie begreifbar machen
Der Baustein „Pfiffigunde“ richtet sich an Mädchen ab Klasse 5, die erste Anzeichen von Schulmüdigkeit zeigen. In wöchentlichen werkpädagogischen Angeboten wird Theorie anschaulich: Bevor ein Regal entsteht, wird gerechnet, gezeichnet, geplant. Die handwerkliche Arbeit motiviert, macht Schule erlebbar und stärkt die Selbstwirksamkeit.
Kneifzange: Intensive Tagesstruktur und emotionale Stabilisierung
Die „Kneifzange“ ist ein besonders intensives Modul des Projekts. Hier treffen sich täglich Mädchen aus Klasse 9 und 10, die die Schule oft seit Jahren nicht mehr besucht haben. In Kleingruppen mit maximal acht Teilnehmerinnen wechseln sich Unterricht, Werkstattarbeit und psychosoziale Begleitung ab. Ziel ist es, die Mädchen emotional zu stabilisieren, schulisch wieder an Inhalte heranzuführen und ihnen so den Hauptschulabschluss zu ermöglichen. Das gelingt: Teilnehmerinnen, die zuvor gemobbt wurden und sich überfordert fühlten, blühen in der Werkstatt auf, gewinnen Selbstvertrauen und lernen, sich wieder im sozialen Raum zu orientieren.
Ein wichtiger Bestandteil der „Kneifzange“ ist auch die gemeinsam geführte Kochwerkstatt. Täglich bereiten die Mädchen Frühstück und Mittagessen zu – für viele die erste Erfahrung mit geregelter und gesunder Ernährung. In der Küche entstehen Gespräche, Vertrauen und echte Begegnung. Die Mahlzeiten werden als gleichwertiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit betrachtet.
Holly Wood: Berufsorientierung jenseits der Klischees
Der dritte Baustein „Holly Wood“ unterstützt die Berufsorientierung in sogenannten MINT-Bereichen. In Werkstattkursen, Beratungen und Schnuppertagen lernen die Mädchen ihre Talente kennen und hinterfragen dabei tradierte Rollenbilder. Dass Mädchen technische Berufe erlernen können, ist hier gelebte Realität. In einem Workshop erarbeiteten die Teilnehmerinnen sogar eine eigene Handreichung für Ausbildungsbetriebe, die bundesweit Beachtung fand.
Familien mit einbeziehen, Strukturen schaffen
Die Einbindung der Eltern ist dem Team besonders wichtig. Verträge mit den Familien sollen Verbindlichkeit schaffen und das Umfeld für die Entwicklung der Mädchen mitverantwortlich machen. Trotz herausfordernder familiärer Situationen gelingt es dem Handwerkerinnenhaus, Eltern als Teil der Lösung zu integrieren.
Wirkungsvoll, strukturiert, preisgekrönt
Die Wirkung des Programms zeigt sich nicht nur in Einzelschicksalen, sondern auch in Zahlen: Allein 2024 wurden 1.446 Mädchen erreicht. Träger des Projekts ist ein multiprofessionelles Team von Handwerkerinnen, Sozialpädagoginnen und Honorarkräften. Die Räumlichkeiten, die familiäre Atmosphäre und die Kombination aus Praxis, Theorie und Beziehung machen das Projekt zu einem Ort der Stabilität und Erneuerung.
Christiane Lehmann, Tischlerin, Sozialarbeiterin und Anleiterin im Projekt, fasst zusammen: „Viele der Mädchen erleben im Handwerkerinnenhaus zum ersten Mal, dass jemand an sie glaubt. Das gibt ihnen die Kraft, sich selbst wieder eine Zukunft zuzutrauen. Wir sehen uns nicht als Schule, sondern als Ort fürs Leben.“
Mira Sin, geschäftsführende Vorständin: „Wir freuen uns sehr, dass unsere Arbeit durch die Verleihung des HanseMerkur Preises für Kinderschutz bundesweite Anerkennung findet. Die Auszeichnung bedeutet uns sehr viel und gibt uns die Kraft, uns weiter für die Mädchen und jungen Frauen einzusetzen, in einer Zeit, die besonders herausfordernd für sie ist.“
Ein Preis für gelebten Kinderschutz
Die bestärkende Arbeit des Handwerkerinnenhauses beeindruckt auch Eberhard Sautter, Vorstandsvorsitzender der HanseMerkur: „Das Handwerkerinnenhaus Köln zeigt mit dem Mädchenprojekt Zukunft, wie effektive Kinder- und Jugendschutzarbeit jenseits des klassischen Systems funktioniert – kreativ, konsequent und ganz nah dran an den Lebensrealitäten junger Menschen. Es ist dieser Mut neue Wege zu gehen, der Kinder stärkt, Perspektiven schafft und unsere Gesellschaft bereichert.“
Quelle: HanseMerkur