Norderstedter Zukunftsdialog - Fachkraeftemangel

Norderstedter Unternehmen diskutierten über Fachkräftemangel

Norderstedt 31.03.2023. Die Entwicklungsgesellschaft Norderstedt (EGNO) und die Stadtwerke Norderstedt haben Ende März wieder zum BusinessFrühstück des Norderstedter Zukunftsdialogs eingeladen. Die gut 40 teilnehmenden Unternehmerinnen und Unternehmer diskutierten über die große Herausforderung des Fachkräftemangels und tauschten sich zu Lösungsansätzen der Personalgewinnung und -bindung aus. Moderiert wurde die Veranstaltung wieder von der NDR-Journalistin Juliane Möcklinghoff

Über 15.700 Ausbildungsstellen sind allein in Schleswig-Holstein derzeit offen, so viele wie noch nie. Aktuelle Studien sagen zudem einen demografisch bedingten Fachkräftemangel von rund 180.000 Menschen für das Bundesland voraus, so dass bereits zwischen 2030 und 2035 fast 13 Prozent aller Stellen nicht mehr besetzt werden könnten. „Wenn das die Wirtschaftskraft in Norderstedt reduziert, ist das für uns als Wirtschaftsförderungsgesellschaft ein sehr ernstes Thema. Denn, so eine Umfrage, inzwischen sehen mehr als 50 Prozent der deutschen Unternehmen im Fachkräftemangel die größte Gefahr für ihre Geschäftsentwicklung“, so EGNO-Geschäftsführer Marc-Mario Bertermann. Vor allem die Bemühungen um den Nachwuchs erfordern neue Wege, waren sich die Teilnehmenden einig. Dabei stehen die Unternehmen vor Herausforderungen, die durch die Corona-Pandemie verschärft wurden.

 

Jennifer Jacobsen, Geschäftsführerin der Glas + Metallbau Kahrmann GmbH, berichtete: „Die jungen Menschen sind sehr unterschiedlich. Bei den meisten zeigt sich, dass sie eine große Unterstützung beim Einstieg ins Berufsleben benötigen – mehr als noch vor einigen Jahren. Wir bieten ihnen erstmal ein Praktikum an, in dem sie erfahren, dass sie gebraucht werden, dass sie etwas leisten können und zum Team gehören. Das sind für sie häufig neue Erfahrungen. Wenn die jungen Menschen dann bei uns anfangen, übernehmen wir vieles, was Familie und Schule bis dahin nicht geleistet haben und begleiten sie auf dem Weg ins eigenständige Leben. Diese Rund-um-Betreuung erfordert sehr viel Zeit, macht viel Spaß und trägt zu einer großen Bindung des Nachwuchses an uns bei“. 

„Als Arbeitgeber müssen wir heute fast doppelt so viel Zeit in die Betreuung und Begleitung unserer Mitarbeitenden, in Personalbelange insgesamt, investieren“, brachte Gaby Gaßmann, Geschäftsführerin der MAGNUS Mineralbrunnen GmbH & Co. KG den Trend auf den Punkt, den die Teilnehmenden des Norderstedter Zukunftsdialogs sehen. Ein „Kümmerer“, der junge Menschen am Anfang ihres Berufslebens an die Hand nimmt, können nicht nur die Unternehmen selbst sein, sondern ist auch die Norderstedter Bildungsgesellschaft mbH. „Wir begleiten vor allem Jugendliche, bei denen viele Grundlagen, sowohl schulische als auch lebenspraktische nur unzureichend vorhanden sind. Die meisten von ihnen können später in eine Ausbildung gehen“, so Nobig-Geschäftsführerin Marlen Reimers. „Wenn sich mehrere Unternehmen zusammentun, können wir auch Bedarfe für bestimmte Branchencluster definieren.“

 

Die Konkurrenz unter Unternehmen vor allem technischer Branchen um junge, gut qualifizierte Menschen ist groß. Um auf sich aufmerksam zu machen, wird unter anderem in Social Media-Kommunikation investiert. „Wir haben 2017 mit facebook angefangen, dann kam Instagram und nun sammeln wir Erfahrungen mit TikTok. Mittlerweile sagen uns Bewerber:innen, dass sie uns über die Videos auf den Social Media-Kanälen und auf unserem YouTube-Kanal kennen gelernt haben“, erzählte Michael Grenz, Geschäftsführer der Hanseatic Power Solutions GmbH. Auch die Akquise von Menschen aus dem Ausland ist ein Weg, um dem deutschen Fachkräftemangel zu begegnen – und das nicht nur beim jungen Nachwuchs. Dabei sei es wichtig, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, angefangen vom Sprachkurs über Unterstützung bei der Wohnungssuche bis hin zur Schaffung einer Willkommenskultur im Unternehmen. Zurückgreifen können die Unternehmen dabei zum Beispiel auf die Angebote der IHK Lübeck wie die Willkommens-Lotsen und die Recruiting Days. Aber auch sich mit mehreren Norderstedter Unternehmen zusammenzutun und eigene Sprachkurse anzubieten, wurde im Kreise der Teilnehmenden des Norderstedter Zukunftsdialogs angedacht.

 

So sehr für die Aufnahme von Fachkräften aus dem Ausland geworben wurden, so groß war auch das Plädoyer für die stärkere Förderung von Arbeitnehmer:innen am Standort. Würde das Beschäftigungspotential von Frauen und älteren Beschäftigten ausgeschöpft werden, könnte der Fachkräftemangel in Schleswig-Holstein um rund Dreiviertel gesenkt werden. Hinzu kommen Menschen mit Behinderung, von denen lediglich rund 50 Prozent in Beschäftigung sind, obwohl ein höherer Prozentsatz im ersten Arbeitsmarkt arbeiten will und mit der entsprechenden Unterstützung auch dort arbeiten kann. Hier bietet die Lebenshilfe Norderstedt über ihr Kooperationsprojekt „Netzwerk Inklusion und Innovation“ Austausch und Beratung für Unternehmen an, wie Menschen mit Behinderung im Unternehmen integriert werden können.


Die Anforderungen an die Arbeitgeber, so ein Fazit der Veranstaltung, sind deutlich gewachsen und das in einem zunehmend schwierigen Umfeld, die Erwartungen der Arbeitnehmer ebenfalls. „Vielleicht arbeiten demnächst zum Beispiel in unserem IT-Bereich Fachkräfte komplett remote“, mutmaßte Stadtwerke-Werkleiter Jens Seedorff. „Und das nicht nur, weil die Mitarbeitenden es wollen, sondern weil für uns Leistung und Ergebnis genauso gut sind wie bei einer Präsenz vor Ort. Und das zählt letztlich in einer sich stetig wandelnden Arbeitswelt. Wir brauchen hoch qualifizierte Mitarbeitende in der Energie- und Telekommunikationsbranche. Daher investieren wir seit Jahrzehnten in die eigene Ausbildung von rund 60 jungen Menschen, aber auch in neue Ansätze, um den Erwartungen der Arbeitnehmer:innen Genüge zu tun. Und ich bin sicher, dass wir uns dafür noch stärker vernetzen und die Vorteile des Standortes Norderstedt nutzen müssen“, so Seedorff.

 

EGNO-Geschäftsführer Bertermann ergänzt: „Wir haben in Norderstedt engagierte Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich aktiv und positiv den Herausforderungen stellen. Diese zusammenzubringen, den Austausch zu fördern, dazu werden wir weitere Zukunftsdialoge veranstalten.“

 

Der Norderstedter Zukunftsdialog wird sich u.a. im Rahmen eines Kongresses am 16. November, mit Nachhaltigkeits- und Zukunftsthemen und ihrer Relevanz für den Standort Norderstedt befassen. Initiiert von der EGNO und den Stadtwerken Norderstedt hat er zum Ziel, die Vernetzung der Unternehmen und städtischen Akteure zu fördern und zu einer zukunftsfähigen, nachhaltigen Stadtentwicklung beizutragen.

NW/JM

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